Interview „Gründächer tragen zur Nachhaltigkeit bei“

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut, Professor für Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung an der HafenCity Universität Hamburg, über den Nutzen von Gründächern

Interview von Anja Schnake

Hamburg hat sich vor Kurzem eine Gründach-Strategie verord­net. Welche Rolle spielen Gründächer heute in der Innenstadt?

Sie sind eine wirksa­me Maßnahme, um auf den Klimawandel zu reagieren. In Zukunft werden wir mit mehr Niederschlägen und höheren Tem­peraturen zu rechnen haben. Gründächer reduzieren den Wasserabfluss und ver­bessern das Mikroklima. Zudem wird die Stadt weiter verdichtet, deshalb ist es sinnvoll, brachliegendes Potenzial auf Flachdächern zu nutzen und einen Teil der verlorengegangenen Grünflächen auf den Dächern zu realisieren.

Grüne Dächer reduzie­ren den Wasserabfluss? Wie genau ma­chen sie das?

Normalerweise fließt das Regenwasser unmittelbar und sehr schnell in die Kanalisation und in die Gewässer ab. Gründächer speichern hin­gegen einen Teil des Wassers im Boden und verlangsamen den Wasserabfluss erheblich, sie wirken als sogenannte Re­tentionsräume. Langfristig verdunstet dadurch generell ein Teil des Regenwas­sers auf den Dächern.

Verdunstung wirkt sich ja auch auf die Umgebungstemperatur aus. Welchen Einfluss haben Gründächer bei hohen Temperaturen?

Foto: Daniele Manduzio - www.hafencity.com/

Foto: Daniele Manduzio – www.hafencity.com/

Sie wirken den hö­heren Durchschnittstemperaturen in den Innenstädten, sogenannten Hitzeinseln, entgegen, denn Gründächer heizen sich deutlich weniger stark auf als beispiels­weise Flachdächer aus schwarzer Dach­pappe, auf denen es im Sommer bis zu 80 Grad heiß werden kann. Die Verduns­tung hat eine kühlende Wirkung. Dieser Effekt macht sich besonders in der Nacht bemerkbar: Während die Innenstädte typischerweise kaum abkühlen, sinkt die Temperatur in ländlichen Gegenden nachts schneller und stärker – zum Vorteil der Bewohner.

… die auf dem Land al­so besser schlafen können. Was tragen Gründächer außerdem zur Lebensquali­tät ihrer Nutzer bei?

Neben den ökologi­schen Aspekten spielt in innerstädti­schen, stark verdichteten Bereichen die Aufenthaltsqualität eine große Rolle. Ein gelungenes Gründach sollte begehbar sein und einen Platz schaffen, an dem sich die Kollegen oder Nachbarn treffen und den sie wie einen Garten zum Erho­len, Essen und Trinken nutzen können.

Nun hat ja ein echter Garten andere Wachstumsvoraussetzun­gen als ein Gründach in, sagen wir, 30 oder 40 Metern Höhe. Wie sollte man so ein grünes Dach bepflanzen?

Das hängt natürlich in erster Linie von den Nutzungsansprü­chen ab. Wer wenig Pflegeaufwand be­treiben möchte, muss eine Extensivbe­grünung mit anspruchslosen Sedumarten wählen, die ohne Bewässerung auskom­men. Wem die Aufenthaltsqualität sehr wichtig ist, der nimmt eine Intensivbe­grünung mit Sträuchern oder Blumen­wiese. Das erfordert aber auch eine höhe­re Schichtdicke, andere Systeme zur Bewässerung und insgesamt mehr Pfle­ge. In jedem Fall würde ich Pflanzen wäh­len, die in unseren Breitengraden wach­sen und nicht stark bewässert werden müssen.

Unterbau und Bewäs­serungsanlagen können also variieren. Was muss man für das grüne Dach aus baulicher Sicht beachten?

Extensivbegrünung hat eine Schichtdicke von etwa zehn Zen­timetern, daraus ergeben sich für das Ge­bäude keine zusätzlichen statischen An­passungen. Bei der Intensivbegrünung mit mehr als 40 Zentimetern Schichtdicke ist das etwas anderes, insbesondere des­halb, weil diese Schichten ja zusätzlich zum eigenen Gewicht noch Wasser auf­nehmen.

Lohnt sich der Mehrauf­wand in der Herstellung finanziell?

Das kommt drauf an, wie man es betrachtet. In der Investiti­onsphase kosten Gründächer mehr Geld, mittelfristig amortisieren sich aber diese Kosten, weil die Bepflanzung das Dach besser vor UV-Strahlung schützt. Damit steigt seine Lebensdauer. Für Mieter kann es sich ebenfalls lohnen: Wer ein Grün­dach hat, zahlt in vielen Städten – übri­gens auch in Hamburg – weniger Abwassergebühren.

Was glauben Sie, wel­che Entwicklungen Gründächer künftig nehmen werden?

Sie werden in den Städten sicher weiter an Bedeutung ge­winnen. Die Kommunen werden noch mehr Anreize für Gründächer schaffen, und auch Investoren werden sich für sie entscheiden, weil sie die höhere Aufent­haltsqualität gut vermarkten können.

Erstveröffentlichung des Interviews in „HafenCity News“ http://www.hafencity.com/
Vielen Dank nach Hamburg an Anja Schnake, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut und die „HafenCity News“

3 Kommentare zu “Interview „Gründächer tragen zur Nachhaltigkeit bei“

  1. Absolut notwendig mehrere Strategien zu nutzen zur Umweltschutz.
    Wie schön dass man auf so ein unauffallende Art beitragen kann zur Nachhaltichkeit. Ich glaube dies ist die Zukunft.

  2. Danke für die guten Informationen zur Dachbegrünung. Bekannte haben sich bei ihrem Neubau bewusste für ein grünes Dach entschieden. Sie haben das auch so geplant, dass sie das Dach gleichzeitig als Terrasse nutzen können.

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