Mit falschen Zahlen gegen die Gebäudedämmung
Bundesbauministerin Klara Geywitz äußert sich beim Tag der Immobilienwirtschaft im Rahmen der Konferenz «80 Sekunden» mit der Botschaft, die immer schärferen Dämmvorschriften hätten das Bauen in Deutschland sehr teuer gemacht. Natürlich stockt es gewaltig im Wohnungsbau. Wir alle kennen die Rahmenbedingungen (Inflations- und Zinsumfeld, hohe Energie- und Produktionskosten aller Bauprodukte etc.).
Aber das die Wärmedämmung – wieder einmal als einziger Baustoff und alleiniger Kostentreiber stigmatisiert wird, ist ein sehr einseitiger wie falscher Blickwinkel und wird auch der Immobilienwirtschaft nicht auf die Sprünge helfen.
Im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zählen hingegen andere Aspekte. Die Effizienzhausplanung und der geförderte klimafreundliche Neubau basiert nicht ohne Grund auf einem geringem Primärenergiebedarf – gedeckt durch Erneuerbare Energien, geringe Wärmeverluste über die Gebäudehülle, und der Bezifferung verursachter CO2-Emissionen durch eine Lebenszyklusanalyse (LCA).
Norbert Buddendick, Geschäftsführer der Fachvereinigung für Extruderschaum (FPX e.V.) findet klare Worte: „ Der Gebäudebestand in Deutschland ist für 40% der CO2 Emissionen verantwortlich. Wie will die Bundesregierung ohne eine energetische Ertüchtigung des Gebäudebestandes und energieeffizientestem Neubau die Klimaziele erreichen?“
In einem Positionspapier nimmt die Fachvereinigung zu den Äußerungen von Bundesbauministerin Klara Geywitz Stellung und verweist auf die nicht weg diskutierbaren Fakten Thema Klimawirkung von Gebäudedämmung.
Klimaschutz ist nicht verhandelbar
Anscheinend geraten bei der Bauministerin nicht nur die EU-Klimaziele für den klimaneutralen Neubau ab 2028 und den 2045 angezielten klimaneutralen Gebäudebestand in Vergessenheit. Das Verfassungsgericht verpflichtet Deutschland bereits 2021 zu mehr Klimaschutz.
Zentraler Kritikpunkt der Karlsruher Richter schon damals: „Unzureichende Vorgaben für die Minderung der Emissionen ab dem Jahr 2031. Derzeit würden hohe Emissionsminderungslasten lediglich `unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030` verschoben.“
Der Gebäudebereich hat 2023 wiederholt seine CO2 -Einsparziele verfehlt. Und die Bauministerin will genau diese Aufschiebe-Taktik weiterfahren und Strafzahlungen in Milliardenhöhe an die EU in Kauf nehmen? Das Geld, dass laut Bauministerin im Bau so dringend fehlt.
Es soll also an veralteten Baustandards festgehalten werden, statt Neubauten nach bereits vorhandenen und etablierten Effizienzhauskonzepten zukunftssicher und nachhaltig zu bauen. Hohe energetische Standards sind gerade im Neubau unabdingbar. Der heutige Neubau ist der Gebäudebestand von morgen! Ist ein Gebäude erst einmal errichtet, verbraucht es für viele Jahre Energie. Oder es spart für viele Jahre Energie und muss nicht, wie momentan im Gebäudebestand, nach geringer Nutzungsdauer aufwendig modernisiert werden. Allein eine, mal eben eingesparte, unzureichende Dämmung der Bodenplatte etwa ist unwiderruflich.
Unser heutiges Problem: Schlecht gedämmte Gebäude und veraltete Heizsysteme verbrauchen große Mengen an Energie. Dämmung von Bodenplatte, Wänden und Dach, Wärmeschutzfenster und Türen, das Vermeiden und Beheben von Wärmebrücken und eine energieeffiziente Wärmeerzeugung mit einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien sind gängige und etablierte Maßnahmen. Vor allem die Kombination aus Erneuerbaren Energien in Gebäuden mit hohem Effizienzstandard führt zur Energieeinsparung und Vermeidung teuer erzeugter Erneuerbarer Energien. Je weniger Energie eingesetzt werden muss, desto nachhaltiger, desto kostengünstiger, das gilt auch für Erneuerbare Energien.
Die technologischen Voraussetzungen sind längst vorhanden, die Industrie ist aufgestellt. Es fehlt, die Umsetzung voranzutreiben – getragen von der Bundesregierung.
Norbert Buddendick, Geschäftsführer des FPX, betont: “ Durch eine effiziente Gebäudedämmung kann die Heizungsanlage des Gebäudes wesentlich kleiner ausfallen. Man muss sich schon fragen, wem es dient, dass in regelmäßigen Abständen die Dämmung ins Visier genommen wird“ Die Fachvereinigung Extruderschaumstoff (FPX) und der Industrieverband Hartschaum e.V. (IVH) schlagen seit Jahren die Absenkung der Mehrwertsteuer für Dämmstoffe von 19 % auf 7 % vor, um so geplante Effizienzmaßnahmen aufgrund der derzeit hohen Bau- und Materialkosten nicht weiter auszubremsen. Auch die erweiterte steuerliche Absetzbarkeit von Effizienzmaßnahmen wurde immer wieder gefordert und Förderung sowieso. Das ist auch ein Konjunkturprogramm für die heimische Wirtschaft.
So effizient ist Dämmung
Bauministerin Geywitz sagt, es sei «kein ehrliches System», weil der Kohlendioxidausstoß bei der Produktion der Dämmstoffe nicht berücksichtigt werde. Dabei sind die Ökobilanzen der Dämmstoffe in den Umweltproduktdeklarationen (EPD) öffentlich einsehbar. Dämmstoffe sparen in ihrer Nutzungsphase Jahre hinweg ein Vielfaches an CO2 und Energie mehr ein, als für ihre Herstellung emittiert bzw. benötigt wird.
Wir rechnen mal vor: Wird beispielsweise das Flachdach eines alten Einfamilienhauses mit 150 m² Wohnfläche saniert, kann der verbesserte Wärmeschutz den Energiebedarf spürbar senken. Dazu wird das 100 m² große Betondach als Umkehrdach saniert und mit 16 cm Extruderschaumstoff (XPS) gedämmt. Der Energiebedarf sinkt dadurch von jährlich rund 150 kWh/m² um rund 50 kWh/m² Dachfläche. Der Ölverbrauch sinkt von vormals 2.500 Liter im Jahr um 500 Liter, das entspricht einer jährlichen CO2 -Einsparung von 1300 kg. Stellt man den CO2 -Aufwand für Materialherstellung und Einbau mit einmalig 1500 kg CO2 (15 kg CO2/m²) dagegen, amortisiert sich die Sanierung CO2 -technisch bereits nach 1,2 Jahren.
CO2 als Gesamtbilanz
Jeder von uns hat seinen CO2-Fußabdruck, genauso wie jeder Baustoff, jedes Gebäude oder jede Anlage zur Erzeugung Erneuerbarer Energien. Mit jedem Gebäude, das weniger Energie verbraucht, wird selbstredend auch eine weniger umfangreiche Infrastruktur benötigt – oder umgekehrt formuliert: die wertvollen Erneuerbaren Energiequellen können an anderer Stelle genutzt und dort effizient eingesetzt werden. Es wäre sicher nicht im Sinne von Umwelt, Klima und Folgekosten, wenn eine schier endlose Menge an Erneuerbaren Energiequellen dafür gebaut und benötigt würde, um Energieineffizienzen an anderer Stelle – beispielsweise als Folge niedriger Dämmstandards – auszugleichen.
Das Wuppertal-Institut rechnet in einer Studie im Auftrag von Greenpeace beispielhaft vor: Werden Wärmepumpen in gut gedämmten Häusern eingebaut, werden 13 Windräder weniger benötigt, um den Strom für den Betrieb der Wärmepumpen für 19.000 Wohneinheiten einer Kleinstadt zu decken.
Statt Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in Frage zu stellen oder gegeneinander auszuspielen und Deutschland damit wieder auf die Hinterbank der Energiewende zu schicken, sollten Bauherren, Hauseigentümer und Investoren von der Bundesregierung ehrliche Unterstützung bekommen, um die längst bekannten Baustellen anzugehen. Im Gebäudebestand kommen wir nicht um eine Einzelbetrachtung und individuelle Sanierungskonzepte herum, die machbaren Einsparpotenziale durch Effizienzsteigerung und Erneuerbare Energien zu heben. Um genau das Szenario für Neubauprojekte in naher Zukunft auszuschließen, gilt es jetzt die Weichen Richtung klimaneutraler Gebäude zu stellen.
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Studie im Auftrag von Greenpeace, zeigt das Wuppertal-Institut auf, was konkret passieren muss, damit Gebäude in Deutschland bis 2035 ohne Öl.