Kein Land begrünt so viele Dächer wie Deutschland

Im Interview verät BuGG-Präsident Dr. Gunter Mann die wichtigsten Punkte, die man bei der Planung eines Gründachs beachten sollte.

Diesen Beitrag wollen wir mit Zahlen und Fakten beginnen, denn die sprechen eindeutig für sich: Deutschland ist weltweit das Land, das die meisten Dächer begrünt. Mit etwa acht Millionen Quadratmetern kommen jährlich auf rund 20 Prozent der deutschen Bauwerke neue Dachbegrünungen hinzu.

Dachgarten in Berlin  Foto: © Gunter Mann, BuGG

Dachgarten in Berlin, Foto: © Dr. Gunter Mann, BuGG

Darunter viele kleine Oasen, kreative Dachgärten und innovative Leuchtturmprojekte. Im internationalen Vergleich – vor allem mit Asien – haben wir andere klimatische Voraussetzungen und zusätzlich einschränkende Gesetzgebungen, die es uns nicht erlauben, solche grünen Hochhäuser wie in Singapur zu realisieren. Doch Dr. Gunter Mann, Präsident des Bundesverband GebäudeGrün e.V.  findet: „Deutschland sollte selbstbewusster auf seine Gründächer schauen. Wir haben viele vorzeigbare und funktionsfähige Objekte, an denen wir uns orientieren müssen und sagen: Wir können. Mittelfristig müssen wir allerdings von den einfachen, extensiven Begrünungen weg und mehr Nutzbares, Sichtbares realisieren.“

Wir fragen einen Experten

Im Interview erklärt Dr. Gunter Mann, Präsident des Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG) was eine Dachbegrünung so unschlagbar macht.

Gunter Mann BuGG-Präsident

Dr. Gunter Mann, BuGG-Präsident

Der gelernte Diplom-Biologe war langjähriger Präsident der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB) und schrieb seine Diplom- und Doktorarbeit zum Thema „Tiere auf begrünten Dächern“. Er verrät uns im Interview die wichtigsten Punkte, die man bei der Planung eines Gründachs beachten sollte.

 

Was macht das Thema Gründach für Sie so faszinierend?

Gründächer sind so nicht nur ein – zugegebenermaßen wichtiger – Teil eines Hauses. Gründächer vereinen eine Vielzahl an positiven Wirkungen fürs Haus, für das umliegende Wohnumfeld und in Summe aller Gründächer auch für das Quartier und die ganze Stadt. Unter anderem sind das: ökologischer Ausgleich, Artenschutz, Niederschlagswasserrückhalt und damit Entlastung der Kanalisation, Verdunstungskühlung und Stadtklimaverbesserung, Feinstaubbindung und Lärmminderung. In Aufzählung geht die Bedeutung jeder dieser Aufgaben fast unter, dabei hat jedes für sich genommen eine immense Bedeutung für unsere Städte, die Natur und das Klima.

 

Was macht ein Gründach für Planer und Bauherren so interessant? Und wie sehen Sie die Kombination mit einem Umkehrdach?

Gründächer sind auf fast allen Flachdächern und leichtgeneigten Dächern sowohl im Neubau als auch im Gebäudebestand realisierbar. Begrünte Dächer ermöglichen darüber hinaus eine vielfältige Nutzung der sonst ungenutzten Dachflächen als Grünfläche, Nutzgarten, Erholungsraum, Treffpunkt oder Rückzugsfläche, sowohl auf Wohn- als auch auf Geschäfts- und Verwaltungsbauten oder Schulen.
Bei fachgerechter Planung und Ausführung ist eine extensive oder intensive Dachbegrünung der perfekte wartungs- und kostensparende Schutz der Dachabdichtung. Letztgenanntes betrifft vor allem als Umkehrdach ausgeführte Gründächer gleich im doppelten Sinne: Sowohl die Wärmedämmung, die bei einer Ausführung als Umkehrdach über der Dachabdichtung liegt, als auch die Begrünung schützen die Dachabdichtung vor mechanischer und thermischer Beanspruchung. Im Bereich der Dachbegrünungen setzen sich Umkehrdachkonstruktionen in Deutschland immer mehr durch. Ein dazu noch begrüntes Umkehrdach hat viele Vorteile.

Aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen ist der Schutz der Dachabdichtung sehr wichtig. In den 60er/70er-Jahren war dies noch die Achillesferse des Hauses, das dem Flachdach im Allgemeinen einen schlechten Ruf einbrachte. Dafür gibt es nun mit dem Umkehrdach seit 30 Jahren eine bewährte Lösung.

Der Kostenfaktor spielt beim Bauen eine große Rolle. Wie sieht der beim begrünten Umkehrdach aus?

Schon in der Bauphase schneidet das Umkehrdach vergleichsweise kostengünstig ab. Die i.d.R. verwendeten XPS-Dämmplatten können wetterunabhängig ohne Verkleben oder Verdübeln und damit zeitsparend aufgebracht werden. Nachfolgende Gewerke können direkt darauf aufbauen. Die druckfesten und begehbaren Dämmplatten schützen die darunterliegende Dachabdichtung schon in der Bauphase. Dauerhaft geschützt durch die Wärmedämmung und die Dachbegrünung verlängert sich die Lebensdauer der Dachabdichtung um das doppelte gegenüber normalen Flachdächern. Das senkt die sonst anfallende Instandhaltungs- und Modernisierungskosten enorm.

 

Welche Punkte sollten bei der Planung unbedingt beachtet werden?

Für ein dauerhaft funktionsfähiges, begrüntes Dach sind zusätzlich zu den allgemeinen Planungsgrundlagen (wie hinreichende Statik, wurzelfeste Dachabdichtung, ausreichende Dachrandhöhe, usw.) weitere Dinge unbedingt zu beachten.

So gibt es insbesondere drei Kernpunkte, die bei der Planung eine wichtige Rolle spielen.

1. Die Druckfestigkeit der Wärmedämmung

Vor allem bei Intensivbegrünungen mit Aufbauhöhen ab 30 Zentimeter und einem Gewicht von über 300 kg/m² und bei genutzten Dachflächen mit Personen- und Kraftfahrzeugverkehr muss auf eine ausreichend druckstabile Wärmedämmung geachtet werden.

2. Die Windsogsicherung

Die lose auf die Dachabdichtung verlegten Wärmedämmplatten müssen durch Auflast (Kies, Platten, Gründach) windsogsicher fixiert werden. Dies kann im Begrünungsfall ein geeigneter Gründachaufbau übernehmen. Die Anforderungen an den Gründachaufbau hängen von den objektspezifischen Gegebenheiten (Lage, Gebäudehöhe, Dachgeometrie) ab. Anforderungen und passender Gründachaufbau werden berechnet.

3. Die Dampfdurchlässigkeit des Gründachaufbaus

Für ein funktionierendes Umkehrdach ist die wichtigste Bedingung der dampfdurchlässige Gründachaufbau. Grundvoraussetzung dabei ist eine geeignete Dränage, die ausreichend belüftet ist und eine Wasserdampfdiffusion über die Dachbegrünung an die Umgebung zulässt. Das verhindert einen dauerhaften Wasseranstau auf dem Dach, der bautechnisch nicht zulässig ist.

Der Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG) ist derzeit mit einer Projektgruppe dabei, die BuGG-Fachinformation „Begrüntes Umkehrdach“ zu erstellen. Darin sind dann ausführlicher geeignete Aufbauten beschrieben.

 

Was liegt alles im Aufgabenbereich Ihres Bundesverbandes?

Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) ging 2018 aus der Verschmelzung der beiden über viele Jahrzehnte etablierten Verbände Deutscher Dachgärtner Verband e. V. (DDV) und Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB) hervor. Der BuGG ist Fachverband und Interessensvertretung gleichermaßen für Unternehmen, Städte, Hochschulen, Organisationen und alle Interessierten rund um die Gebäudebegrünung (Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung). Die Mitgliederzahl beläuft sich auf fast 350 Mitglieder aus verschiedenen Bereichen rund um die Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung. Wir erstellen unter anderen Arbeitshilfen zu verschiedenen Themen rund um die Gebäudebegrünung, wie: „Sicherer Gewerkeübergang“, „1×1 der Dachbegrünung“, „Leitfaden für Kommunen“. Unsere langjährige Kompetenz bringen wir in Planungs- und Ausführungshilfen wie z. B. die „Liste wurzelfester Bahnen und Beschichtungen“ ein, wir betreiben Richtlinienarbeit bei der FLL und initiieren und begleiten Forschungsprojekte. Im Herbst wollen wir erstmals den „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2019“ veröffentlichen.logo_bugg_arbdat

www.gebaeudegruen.info

Ein Kommentar zu “Kein Land begrünt so viele Dächer wie Deutschland

  1. Danke für den tollen Beitrag zum Thema Begrünung für Dächer. Mein Freund und ich überlegen uns auch, ob wir unser Hausdach etwas begrünen. Mir war gar nicht bewusst, dass rund 20 Prozent der neuen Hausdächer in Deutschland begrünt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert