Forschungsprojekt liefert wichtige Ergebnisse
Ein „Effizienzhaus plus“ erzeugt mehr Energie als es selbst braucht. So die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Und was heißt das für die Gebäudehülle vom Keller bis zum Dach, für die Technik zum Heizen, Lüften und alle Stromgeräte im Haus? Und vor allem, was bedeutet das für die Bewohner selbst?
Bilanz des Berliner Effizienzhaus plus
Das Vorzeigeprojekt „Effizienzhaus plus“ mitten in Berlin zieht Bilanz. Zwei Testfamilien durften das moderne Domizil bewohnen. Die Erfahrungen daraus sind mehr als wertvoll. Trotz der Headline „Eine finanzielle Bilanz zum Heulen“ des aktuellen Beitrages in der Frankfurter Allgemeinen wird die Testfamilie wohl das Effizienzhaus missen: So heißt es im Artikel: „In der heimischen Altbauwohnung kann sich die Familie zwar wieder an deren Charme, den hohen Räumen und den Jugenstilelementen erfreuen. Ihre häusliche Energiebilanz wird ihnen die alte Umgebung aber täglich verhageln. Der Gedanke daran wurmt vor allem die Eltern.“
Bei den Baukosten des Prototyps können Eigenheimbesitzer nur mit den Ohren schlackern. Knapp 1,8 Millionen hat der Hightechbau gekostet. Hier wurde alles reingepackt, was die Technik derzeit hergibt. Entsprechend hoch waren die Erwartungen. „Da hatte man sich deutlich mehr versprochen“, räumt Hans Erhorn ein. Er ist Leiter der Abteilung Wärmetechnik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart und begleitet das Forschungsprojekt. Nun gilt es wohl kritisch auszumisten. Was ist sinnvoll, was klappt theoretisch aber scheitert in der Praxis, was ist ausbaufähig und was kann man getrost ad acta legen.
Gedämmt wie ein Passivhaus
Architektonisch gleicht der Bau einer gewaltigen Box, deren Gebäudehülle die Dämmwerte eines Passivhauses erfüllen. Die einfache Konstruktion schließt etwaige Wärmebrücken von vorn herein aus. Eine große Glasfront soll Sonnenwärme einfangen, um sie nutzbar zu machen. Die Technik im Haus ist „High End“: Dachfläche und Südseite des Hauses sind mit Fotovoltaik-Paneelen bestückt. Mittels der Sonnenenergie soll die Luft-Wasser-Wärmepumpe das Haus beheizen und auch genügend Strom für Lüftungsanlage, Elektroauto und E-Bikes liefern.
Technik auf dem Prüfstand
Leider blieb nicht nur die Photovoltaik-Anlage hinter den Erwartungen zurück. Im FAZ-Beitrag heißt es weiter: „Wärmepumpen seien einer der Knackpunkte in den neuen Effizienzhäusern, urteilt Ingenieur Thomas Weber.“ Der Fachmann vom Verband Privater Bauherren merkt an: „Die Wärmepumpe läuft mit Strom, den die Photovoltaikanlage liefern soll. Doch meist scheint die Sonne zu wenig. (…) Das führt zu unerwartet hohen Betriebskosten – und enttäuschten Bauherren.“
Entscheidet das Haus zukünftig, wie wir wohnen?
Aufwändige Messtechnik überwacht jeden Schritt der Bewohner. Die Testfamilie kam sich fast vor wie kleine Versuchskaninchen: „Einfach mal schnell die Heizung aufdrehen, (…) geht nicht. Um einen Grad mehr Raumtemperatur zu liefern,“ braucht die Heizanlage einen Tag Vorlauf. Waschmaschine oder Spülmaschine anstellen ist für die Bewohner eines solchen Hauses keine spontane Entscheidung.
Wie sehr soll und kann man sich als Hausherr überhaupt auf die Technik verlassen? Der Verband Privater Bauherren fordert und kritisiert: Die Technik müsse insgesamt viel einfacher werden, energieeffizientes Bauen dürfe nicht zu technikdominiert sein. Die Testfamilie im FAZ-Beitrag dazu: „Es gibt einem schon zu denken, dass in einem solchen Haus jede Störung keine Kleinigkeit ist.“
Was kostet so ein Effizienzhaus plus von der Stange
Geht’s nach dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik, muss man als Bauherr für ein Effizienzhaus-Plus derzeit mit Mehrkosten von bis zu 300 Euro je Quadratmeter rechnen. Der Fertighausbauer Schwörer unterhält selbst eines der vom Fraunhofer-Institut betreuten Effizienz-Plus-Häuser und bestätigt, dass das Interesse an diesem Haustyp groß sei. Der Preis lasse die Bauherren allerdings zurückschrecken.
Gut zu wissen: Auch späteres Aufrüsten geht:
Wer jetzt ein energiesparendes Effizienzhaus 55 baut, kann später zum Effizienzhaus plus aufrüsten. Die Photovoltaikanlage, ein Energiespeicher und die Ladestation für die Elektrofahrzeuge können auch später ergänzt werden. Die Mehrkosten für ein Effizienzhaus 55 beziffert das Institut für Wohnen um Umwelt mit ca. 100 Euro je Quadratmeter Wohnfläche gegenüber einen streng nach der Energiesparverordung (EnEV) gebauten Wohnhaus. Das geht aus dem Flyer „Investive Mehrkosten bei Neubau und Sanierung von Einfamilienhäusern“ hervor (Link: http://www.iwu.de/fileadmin/user_upload/flyer/Mehrkosten_geg_EnEV_EFH_End.pdf). Für das Mehr an Kosten spart man Jahr für Jahr Energie zum Heizen und für warmes Wasser. Das Effizienhaus 55 kommt mit knapp 30 kWh/m² im Jahr aus. Ein Standard-Neubau verbraucht mit knapp 60 kWh/m² im Jahr von vornherein das Doppelte.
Hier die Links zum Weiterlesen:
Infos zum Haus unter: http://www.bbr.bund.de/BBR/DE/Bauprojekte/Berlin/WissenschaftForschung/Effizienzhaus_Plus/standard.html
Der Beitrag der FAZ: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/immobilien/effizienzhaus-plus-13533106-p3.html
Ein weiterer Beitrag der Welt: http://www.welt.de/finanzen/immobilien/article114705167/Effizienzhaus-Plus-Die-ernuechternde-Bilanz.html