Kennen Sie die Ökobilanz, den Ressourcenverbrauch, die Klimawirkung oder die Kreislauffähigkeit Ihres Gebäudes?
Der Energieausweis für Gebäude hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich etabliert. Dieser fokussiert auf die Nutzungsphase einer Immobilie, betrachtet jedoch nicht die für den Klimaschutz so wichtige Zielgröße der CO2-Emissionen. Bauphase und Baukonstruktion und die dort entstandenen negativen Umweltwirkungen sind ausgespart. Hier setzt die Idee eines Gebäuderessourcenpasses an.
Warum reicht der Energieausweis nicht aus?
Nach Angaben des NABU „sind die CO2-Emissionen aus Bau und Nutzung von Gebäuden für etwa 30 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Allein bei der Herstellung von Baustoffen zur Errichtung und Modernisierung von Gebäuden werden etwa acht Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen produziert.“
Die Bauphase, also die Zeit, bevor das Gebäude überhaupt genutzt wird, fällt in Punkto Energie und CO2 besonders ins Gewicht. Gehen wir noch ein Stück zurück: In der vorangehenden Planungsphase werden alle Weichen gestellt. Wieviel Energie für die einzelnen Baustoffe, den Bau, die Nutzung und den Abriss benötigt werden und wieviel CO2 das ganze verursacht. Und hier wird auch schon entschieden ob und wie das Haus und seine einzelnen Teile nach der Nutzung entsorgt, recycelt oder wiederverwertet werden können.
Der NABU geht davon aus: “Inzwischen verursacht ein typischer Neubau bereits bei der Herstellung und Errichtung die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen und des Energieaufwands, die er bei einem Lebenszyklus von 50 Jahren insgesamt auslöst. Auch bei der Nutzung und Entsorgung entstehen weitere Emissionen. Zudem sorgt die Bautätigkeit für 50 Prozent des deutschen Abfallstroms und ist daher auch aus Ressourcenperspektive ein Problem.“
Fokus auf Inhaltsstoffe, Umweltwirkungen und zirkuläre Nutzung
Bereits im Koalitionsvertrag hatte die neue Bundesregierung angekündigt, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen, ohne diesen inhaltlich näher zu konkretisieren. Was dieser inhaltlich umfassen sollte, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. jetzt als Vorschlag veröffentlicht und bis Mitte September zur Diskussion gestellt. Die Non-Profit-Organisation erhofft sich davon mehr Geschwindigkeit bei der Einführung des Instruments und mehr Akzeptanz für die Anwendung. An der Ausgestaltung des Gebäuderessourcenpasses beteiligte sich der neu gegründete DGNB Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen.
Das grundlegende Prinzip ist einfach:
In dem Ressourcenpass sollen individuell für jedes Gebäude die wesentlichen Informationen rund um den Ressourcenverbrauch, die Klimawirkung und die Kreislauffähigkeit transparent angegeben werden. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des jetzt präsentierten Entwurfs hat die DGNB sich an sechs übergeordneten Bereichen orientiert.
Zu Beginn steht die Abfrage von allgemeinen Informationen zur Immobilie wie Standort, Baujahr und Art der Bauweise. Des Weiteren soll unter anderem die Gesamtmasse des Gebäudes erfasst werden. Ein wesentlicher Fokus des Instruments liegt auf Angaben zu den verbauten Materialien und Inhaltsstoffen sowie zur Verwendung zirkulärer Wertstoffe. Eine Auflistung der eingesetzten Materialarten ist ebenso gefragt wie Angaben zum Einsatz kritischer Inhaltsstoffe. Neben den Bau- und Abbruchabfällen wird auch der Anteil nachwachsender Rohstoffe sowie wiederverwendeter oder rezyklierter Materialien erfasst. Letzteres bedeutet, dass Neben- und Abfallprodukte im Produktionsprozess und auch Endprodukte die irgendwann als Müll angefallen sind, gesammelt, aufbereitet und als Rohstoff zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden könnten.
Der Ressourcenpass soll zudem Transparenz liefern hinsichtlich der Umweltwirkungen eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus, genauer über eine Referenznutzungsdauer von 50 Jahren. Im Entwurf der DGNB werden die ökobilanziell ermittelten Treibhausgasemissionen des Bauwerks ebenso ausgewiesen wie dessen Primärenergiebedarf aus nicht-erneuerbaren Energiequellen.
Der Pass soll mehr Bewusstsein schaffen
Durch die verpflichtende Auseinandersetzung mit den verbauten Massen soll der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen gefördert und ein Bewusstsein für deren Wert geschaffen werden. Abgefragt wird in diesem Sinne auch, ob ein Konzept zur möglichen Anpassung des Gebäudes für weitere Nutzungen erstellt wird. Gleiches gilt für eine möglichst zerstörungsfreie Demontage sowie zur sortenreinen Trennung im Falle eines Umbaus oder Rückbaus. In diesem Zusammenhang sollen die perspektivischen Nachnutzungswege der verbauten Materialien dargelegt werden. Letztlich fragt der Gebäuderessourcenpass noch ab, ob eine digitale Dokumentation der Zirkularität des Gebäudes vorhanden ist und ob diese regelmäßig aktualisiert wird.
All die genannten Aspekte sind im Sinne der DGNB Mindestinformationen eines Gebäuderessourcenpasses. Zusätzlich will die DGNB zur Angabe weiterer Informationen rund um die zirkuläre Nutzung der Immobilie motivieren. Zu den freiwillig auszufüllenden Punkten zählen der Flächennutzungsgrad des Gebäudes sowie der Anteil von Flächen im Gebäude, die zur Mehrfachnutzung vorgesehen sind. Auch der Flächenbedarf je Bezugseinheit – bei Büroimmobilien die Quadratmeter pro Arbeitsplatz – sollen bestenfalls zusätzlich ausgewiesen werden.
Nicht mehr auf Zeit spielen – vorhandenes Wissen nutzen
Die Bundesregierung beabsichtigt mit der Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses gleich mehrere Ziele angehen zu können. Es soll eine Maßnahme um „die Grundlagen (zu) schaffen, (um) den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können.“ Ein weiteres in diesem Zusammenhang im Koalitionsvertrag formuliertes Ziel ist es, „auch im Gebäudebereich zu einer Kreislaufwirtschaft (zu) kommen.“
Soweit die Formulierungen im Koalitionsvertrag. Der DNGB kommentiert seinen Vorstoß mit einem konkreten Vorschlag wie folgt: „Diese Ankündigung hat uns gefreut, weil sie genau die Zielsetzungen unterstützt, für die wir uns seit 15 Jahren einsetzen.“ Sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Aber es ist wichtig, dass wir hier Tempo aufnehmen und vorhandenes Wissen nutzen. Die Aufgabe, vor der wir gesellschaftlich stehen, ist zu groß, um über die x-te gut dotierte Ausschreibung das Rad wieder neu zu erfinden, um am Ende das Ergebnis unter den Einflüssen von Lobbyverbänden verwässern zu lassen.“
Kann sich ein Ressourcenpass etablieren?
„Die Zusammenstellung der Inhalte macht deutlich, dass es uns nicht singulär um eine reine Förderung der Kreislauffähigkeit oder die Minimierung der CO2-Emissionen in der Konstruktion geht“, erklärt Lemaitre. „Vielmehr brauchen wir das intelligente Zusammenspiel all der genannten Komponenten und die dazugehörige Planungskompetenz, um diese Themen ganzheitlich in reale Gebäude zu überführen. Denn der Gebäuderessourcenpass sollte neben der reinen Bestandsaufnahme auch eine Zielstellung geben, worauf es bei allen künftigen Gebäuden ankommt im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz.“
- Unter https://www.dgnb.de/gebaeuderessourcenpass steht ein Beispielentwurf des Gebäuderessourcenpasses in aggregierter Form zum Download zur Verfügung.
- Weiterlesen NABU – Den gesamten Lebenszyklus in den Blick nehmen