Thema Klimaschutz bei kommender Bundestagswahl ganz oben
Eine Wahl hatten die Parteien dabei nicht. Das Energieeinsparziel für 2020 konnte im Gebäudebereich nicht erreicht werden. Das Urteil des Bundesgerichtshofs im April 2021 setzt noch einen oben drauf: „Verfassungsbeschwerden mehrerer Klimaschützerinnen und Klimaschützer waren zum Teil erfolgreich. Der Gesetzgeber muss beim Klimaschutzgesetz nachbessern.“
Selbst der eigens von der Regierung eingesetzte Klimarat fordert mehr Anstrengung bei Gebäuden. Der Expertenrat soll in Klimafragen bewerten, in welchem Umfang Programme und Aktivitäten der Ministerien zum Erreichen der Klimaziele beitragen. Die bisherige Bilanz fällt sehr kritisch aus: Die Treibhausgasminderungen würden überschätzt, die Maßnahmen wie bisher vorgesehen reichten bei weitem nicht aus.
Mehr Geld oder strengere Regeln?
Eins ist damit jetzt schon klar: Es wird Anpassungen an das neue Ziel für 2045 geben – vor allem im Gebäudebereich. Doch welche Art Neuerungen? Mehr Geld oder strengere Regeln? Derzeit ringen Finanzministerium, Umweltministerium und Wirtschaftsministerium um zukünftige Klimagesetze und eine Förderstrategie, die dann auch aufgeht.
Der Fokus auf die Wärmeversorgung wird dabei zur Gradwanderung. Jährlich wechselnde Heizerfordernisse je nach Temperaturen in Winter und Übergangsjahreszeiten machen dabei die Energieverbräuche im Bereich der Gebäudeheizung und der damit verbundenen CO2-Emissionen schwer kalkulierbar. Immerhin: Die bisherigen Förderprogramme sind derzeit gefragt wie nie. Das BAFA meldet jeden Monat neue „Rekordzahlen an Förderanträgen“ bis Ende 2020 im „MAP – Heizen mit erneuerbaren Energien“ und ab 2021 in der „BEG- Bundesförderung für effiziente Gebäude“. Viele geförderte Maßnahmen – aber nicht die erhoffte CO2-Einsparung? Der Klimarat sieht jedenfalls bisher keinen methodisch konsistenten Nachweis in Form einer sachbezogenen, isolierten Rechnung zur Wirkung des Sofortprogramms 2020.
Führen zusätzliche Geldanreize in die richtige Richtung?
Die Sprecherin für Energiepolitik der grünen Bundestagsfraktion, Julia Verlinden, kommentiert gegenüber dem Tagesspiegel: „Mehr Geld muss allerdings nicht mehr Qualität bedeuten. Statt konsequent die Sanierung des riesigen Gebäudebestandes anzugehen, verpulvert die Bundesregierung mit ihrem Gebäudesanierungsprogramm einen Großteil der Steuermittel für die Förderung eines Neubau-Standards, der ohnehin längst Stand der Technik ist und nicht einmal für die Pariser Klimaziele ausreicht“. Verlinden bezieht sich dabei auf eine Auswertung vom Januar. Selbst neue Häuser würden mehr Energie verbrauchen als nötig, weil die Regierung es versäumt habe, einen zeitgemäßen Klima-Standard festzuschreiben.
Zwei Richtungen für den Neubau von Wohngebäuden zeichnen sich ab
Die Förderbedingungen könnten verschärft werden. z.B. könnten im Neubau nur noch Effizienzhäuser 40 und 40 Plus gefördert werden.
Die Förderung für das momentan beliebte Effizienzhaus 55 könnte hingegen gestrichen werden, oder alternativ die Förderbedingungen an das Effizienzhaus 50 erhöht werden.
Zudem lässt sich eine stärkere Fokussierung auf die Kreislauffähigkeit und die ökologischen Anforderungen an Bauprodukte und Gebäude erkennen, Stichwort „graue Energie“.
Daran arbeiten die Ministerien derzeit
Der Dialog „Klimaneutrale Wärme“, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Anfang des Jahres 2021 gestartet hat, soll nun wichtige Impulse für den zukünftigen Instrumentenmix liefern. Klar ist: „Die anstehende Wärmewende ist eine große Herausforderung und bietet zugleich immense Chancen. Wir müssen die Energieeffizienz massiv steigern. Ziel ist eine Klimaneutrale Wärmeversorgung“. Der Dialogprozess „Roadmap Energieeffizienz 2050“ unter Leitung des BMWi hat die Aufgabe, den erforderlichen Handlungsbedarf bei der Energieeffizienz zu identifizieren, die verschiedenen Hemmnisse auszumachen und daraus zielführende Maßnahmenpakete zu entwickeln.
Erste Impulse aus dem Dialog:
- Die Neubaustandards schneller als bis dato vorgesehen verschärfen.
- Die Anhebung von Gebäudeenergiestandards für Bestandsgebäude prüfen.
- Prüfen, ob und wie Fördern trotz Fordern bei ambitionierten Gebäudeenergiestandards möglich ist.
- Gebäudeenergiestandards und langfristige Gebäudeeffizienzziele schaffen Planungssicherheit (für die Wirtschaft).
Sind die geplanten Maßnahmen schon ausreichend?
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert, die Lebenszyklusbetrachtung im Klimaschutz-Sofortprogramm zu verankern und innovative und umweltschonende Dämmkonzepte zu stärken. Der verstärkte Einsatz innovativer Dämmstoffe senkt den Energieverbrauch von Gebäuden und schont Ressourcen. Ein Klimaschutz-Sofortprogramm für den Gebäudesektor müsse den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden betrachten und den Einsatz kreislauffähiger Baustoffe stärken.
Die Auswahl und der Einsatz von Baumaterialien nach Lebenszyklus betrachtet – was heißt das?
Eine Bewertung der Gesamtlebens- bzw. Nutzungsdauer eines Baustoffs zeigt nicht nur, wie viel Energie für die Herstellung benötigt wird und wie hoch die CO2-Emissionen sind, die durch Herstellung, Transportwege und Verarbeitung verursacht werden. Ebenso wird berücksichtigt, wie viel Energie und CO2 das Produkt von seinem Einbau ab gerechnet über die Jahre der möglichen Nutzungsdauer einspart. Was die Lebenszyklusbetrachtung bedeuten kann, zeigt das Beispiel Umkehrdach. Ein als Umkehrdach geplantes, ausgeführtes und gedämmtes Flachdach schafft es gegenüber einem herkömmlichen Flachdach auf eine doppelt so langen Lebensdauer. Auf die gesamte Nutzungsdauer betrachtet, spart das einmal hergestellte Flachdach mit ein und denselben Materialien viel mehr CO2 ein und reduziert zusätzlich den Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwand.
Zum Lebenszyklus eines Baustoffs gehört selbstredend auch, wie dieser wieder abgebaut werden kann – sortenrein demontiert oder als allgemeiner Bauschutt teuer entsorgt? Welche Optionen gibt es zur Wiederverwendung, zum Recycling oder zur Entsorgung?
Klimaneutraler Gebäudebereich bis 2045
Das „Öko-Institut“ schafft Fakten und schlägt auf Basis der Studie „Agenda Wärmewende 2021” konkrete Instrumente vor, den Gebäudebereich bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu gestalten. „Der vorgeschlagene Instrumentenmix weist dem Ordnungsrecht eine aktivere Rolle zu. Regelungen wie ambitioniertere Anforderungen an Neubauten und an die Sanierung von Gebäuden sowie die Einführung von Mindesteffizienzstandards zielen darauf ab, mehr Sanierungen von Gebäuden umzusetzen.“
Gleichzeitig beschreibt die Studie, wie Fördermöglichkeiten so umgestaltet werden sollten, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden ihren Sanierungsanforderungen besser nachkommen können und dabei gleichzeitig die Klimaschutzziele erreichen. Und genau darum geht es doch auch!