Gründach – wärmt und hält lange, was es verspricht. Die Forschung weist nach: Gründach verlängert Lebensdauer eines Daches um das Dreifache
Ein Interview mit
Prof. Dr. Gernot Minke
Bis zu 30 Prozent der Energieverluste eines Hauses gehen allein übers Dach verloren. Grund genug, über Lösungsansätze nachzudenken. Dächer die mehr können, als vor Wind und Wetter zu schützen. Die bezahlbar sind. Die lange halten. Die im Winter wärmen und im Sommer vor Hitze schützen. Und das mit Hilfe der Natur.
Kürzlich haben wir über ein Gründach-Forschungsprojekt berichtet. Professor Dr. Gernot Minke, der das Projekt leitete, stand uns in einem Interview Frage und Antwort. Er ist ein Allrounder vom ökologischen Bauen bis zum Low Cost Housing. Als Hochschul-Professor, Forschungsleiter, Buchautor und Architekt stellt er unter Beweis, dass Forschung und Praxis unbedingt zusammengehören.
Um das Wärmedämmverhalten von Gründächern nachzuweisen, wurde auf dem ca. 14 Meter hohen Dach des Zentrums für Umweltbewusstes Bauen, mitten in Kassel, der Versuchsaufbau eingerichtet. Sechs Felder mit unterschiedlichen Dämmschichtdicken sowie verschiedenen Vegetationsschichten wurden aufgebaut und mit Temperaturfühlern und Wärmestrommesssonden ausgestattet. Alle sechs Minuten lieferten die Tag und Nacht, bei jeder Jahreszeit und jedem Wetter neue Messwerte.
Herr Prof. Minke, Sie haben fünf verschiedene Gründachaufbauten über ein Jahr lang hinweg untersucht. Wie ist das Resümee gegenüber dem ebenfalls untersuchten, konventionellen Dach?
„Gründächer reduzieren sowohl den Wärmeeintrag im Sommer als auch den Wärmeverlust im Winter. Der Transmissionswärmeverlust der gemessenen Gründächer war im Winter bis zu 19 % niedriger als beim konventionellen Dachaufbau.
Bei einem anderen gemessenen Gründach herrschten im Januar bei einer Außentemperatur von minus 14 Grad unter der Erdschicht lediglich 0 Grad (Minke: Dächer begrünen, 2000, S.15)“
Können Sie was zu Aufwand und Kosten sagen? Amortisiert sich ein Gründach durch die eingesparte Energie?
„Das Gründach amortisiert sich nicht nur durch die Energieeinsparung, sondern vor allem durch seine Lebensdauer. Nach der Statistik weist ein Flachdach in Deutschland bereits nach 7 Jahren Reparaturkosten und eine Lebensdauer von lediglich 22,5 Jahren auf (Schild, Oswald: Genutzte Dächer und Terrassen, 1986). Ein Gründach hat aber eine wesentlich längere Lebensdauer und weist in der Regel in den ersten 40 Jahren keinerlei Reparaturkosten auf.“
Lohnt sich mehr Dämmung oder „mehr Gründach“? Und was verstärkt die Dämmwirkung – intensive oder extensive Dachbegrünung?
„Das Gründach ersetzt auf jeden Fall einen Teil der Wärmedämmung. Eine intensive Dachbegrünung hat bedingt durch den größeren Substrataufbau ein viel höheres Gewicht, benötigt einen nicht unerheblichen Pflegeaufwand und erzeugt höhere Kosten bei Herstellung und Nutzung.“
Wie sieht es mit dem sommerlichen Wärmeschutz aus. In Ihrem Bericht zeigten die Gründächer auch im Sommer Vorteile?
„Bei intensiver Sonneneinstrahlung und hohen Außentemperaturen reduzieren Gründächer die Aufheizung des Daches erheblich. Bei dem zuvor erwähnten Gründach herrschten beispielsweise bei einer Außentemperatur von 30 Grad unter dem Gründach lediglich 17,5 Grad. (Minke: Dächer begrünen, 2000, S.15)“
Konnten Sie noch weitere, ökologische Vorteile nachweisen?
„Im Rahmen dieser Testreihe nicht. Aber im Rahmen einer früheren Untersuchung konnten wir ermitteln, dass ein geneigtes Gründach mehr als 70 % des anfallenden Regens speichert beziehungsweise verdunstet. (Inzwischen ist der Regenwasserabflussbeiwert von Gründächern auch in der DIN 1986, Teil 2 mit 0,3 beziffert)“
Welches der untersuchten Dächer hat am besten abgeschnitten?
„Das Dach mit 15 Zentimetern Substrat und einer dichten aber nicht zu hohen Vegetationsschicht ergab die besten Dämmwerte.“
Warum wurden die offensichtlichen Einsparpotenziale bisher nicht in den Wärmeschutzberechnungen berücksichtigt bzw. unterschlagen?
„Das liegt daran, dass der Wärmedurchgangskoeffizient vor allem von der Dicke, der Feuchte und der Beschaffenheit des Substrats, sowie der Dichte und Höhe der Vegetation abhängt. Hinzu kommen noch Faktoren wie Dachneigung und Orientierung sowie Luftbewegung. Das heißt, einen genauen Wärmedämmwert für ein Gründach kann man nicht angeben.“
Zum Schluss möchten wir natürlich noch wissen: Haben sie jetzt eigentlich selbst zu Hause auch ein Gründach?
„Wir haben auf dem Experimentiergelände der Universität Kassel 1978 das erste extensiv begrünte geneigte Gründach gebaut. 1984 habe ich erreicht, dass im Bebauungsplan der Stadt Kassel für die Ökologische Siedlung Am Wasserturm Gründächer verpflichtend vorgeschrieben wurden. Seitdem haben alle meine Projekte, die ich als Architekt in Europa und Lateinamerika geplant habe, Gründächer, natürlich auch mein eigenes Haus.“
Wir bedanken uns bei Prof Minke herzlich für das Interview und die beachtenswerten Infos. Ein Gründach zahlt sich also mehrfach aus. Mit Energieeinsparung und Kosteneinsparungen bei Instandhaltung und Reparatur. Mehr zum Forschungsprojekt selbst finden Sie unter: zub-pc66.bauphysik.architektur.uni-kassel.de/projekte/gruendach-2009
Anbei geben wir Ihnen auch Links, wo Sie erfahren, wie man ein konventionelles Dach als Gründach nachrüsten kann, ob und wann es Sinn macht und worauf man dabei achten sollte: www.dachgaertnerverband.de/ oder www.gruendaecher.de/
Umweltbewusstes Bauen in freier Wildbahn
Die Ökologische Siedlung Am Wasserturm in Kassel errichtete Professor Minke zusammen mit seinen Architekten-Kollegen Hegger, Hegger-Luhnen und Schleiff als eines der ersten zehn Modellprojekte für ökologisches Wohnen. Die 1993 fertiggestellte Siedlung wurde nach einem ökologischen Gesamtkonzept gebaut: Durch individuelle Architektur, Häuser ohne Keller, begrünte Dächer, Holz- oder Lehmbauweise (mit Lärchenholz verschalt), hohen Dämmstandard und unversiegelte Straßen ist sie heute ein Vorzeige-Projekt. Sie zeigt eindrucksvoll wie sich die Grundprinzipien energieeffizientes, umweltbewusstes und einfachen Bauen bewähren. Tolle Anregungen und Infos zum Projekt finden alle, die selbst umweltbewusst bauen wollen unter: www.oekosiedlungen.de/frasenweg/steckbrief.htm
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