Das Schimmel häufiger in wärmegedämmten Häusern auftritt, widerlegen Studien und Baupraxis. Eine gute, richtig angebrachte Dämmung ist weit mehr als Schutz vor Energieverlusten und hohen Heizkosten.
„Weiße Pferde an den Wänden“ so übersetzte eine Dolmetscherin kürzlich unseren Landesnachbarn, dass es in Deutschland in neu gebauten Eigenheimen häufig Schimmel an den Wänden gebe. Im ersten Moment klingt die Geschichte amüsant. Doch bei genauerem Hinschauen passt die Übersetzung zum „modernen Märchen vom Schimmel“. So könnten wir hier tatsächlich beginnen: „Es war einmal“ … da glaubten die Menschen, gedämmte Wände könnten nicht atmen. Somit könne Luftfeuchtigkeit nicht mehr austreten und setze sich an der Innenseite der Außenwände ab. Das würde der Schimmelbildung Vorschub leisten.
Tatsächlich gilt:
Je besser ein Haus gedämmt ist, desto höher die Oberflächentemperatur an der Innenseite der Außenwände und umso geringer die Gefahr von Schimmelbildung. Die physikalische Erklärung ist einfach: Warme Luft kann weit mehr Wasser aufnehmen als kalte. Beispielsweise enthält Luft mit 20 °C und 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit ebenso viel g/m³ Wasserdampf wie Luft mit 15 °C und 80 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit.
Man kennt das Phänomen aus dem Alltag:
Nimmt man eine kalte Flasche aus dem Kühlschrank, dann beschlägt sie bei Zimmertemperatur nach kurzer Zeit. Denn die Zimmertemperatur ist höher als die auf ca. sieben Grad abgekühlte Oberfläche der Flasche. Dadurch fällt das Wasser, was bislang in der warmen Luft gebunden war, aus.
Da Außenwände- und Fensteroberflächen auch zumeist etwas kälter sind, kühlt warme Raumluft an diesen Stellen ab. Dadurch erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit. Tauwasser kann sich absetzen. Eine Wärmedämmung beugt dieser Gefahr vor. So liegt bei einem Haus mit sehr gutem Wärmeschutz die Wandtemperatur an keiner Stelle so niedrig, dass die Wachstumsbedingungen für Schimmelbildung erreicht werden.
Schimmel gefährdet sind daher die schlecht gedämmten Häuser.
Bei gedämmten Wänden ist der Unterschied zwischen Zimmertemperatur und Oberflächentemperatur an der Innenseite der Außenwände so gering, dass sich dort keine Luftfeuchtigkeit mehr absetzt. Idealerweise sollte der Temperaturunterschied zwischen Raumluft und Oberfläche der Innenwand drei Grad Celsius nicht überschreiten – das empfiehlt das Institut Wohnen und Umwelt (IWU). Denn bei größeren Temperaturdifferenzen kühlt sich die Luft an der Wand zu stark ab, sodass bei den Bewohnern der Eindruck unangenehmer Zugluft entsteht. Eine optimale Dämmung ist damit weit mehr als Schutz vor Energieverlusten und hohen Heizkosten.
Dass Schimmel häufiger in wärmegedämmten Häusern auftritt, ist demnach ein modernes Märchen. Das Gegenteil stimmt. Nach einer Studie des Forschungsinstituts AI Bau tritt Schimmel in Gebäuden mit moderner Dämmung seltener auf als in anderen Wohnhäusern. Für den Schimmel sind laut der Studie oft vermeidbare Bau- und Installationsmängel schuld, wie zum Beispiel Wärmebrücken oder die Vernachlässigung der erforderlichen Lüftung der Wohnräume.
Es gilt Gefahrenstellen auszumachen.
Zur Vermeidung von Schimmel muss nicht das ganze Haus gedämmt werden. Schimmel tritt häufig an Wärmebrücken aus. Über Wärmebrücken geht deutlich mehr Heizenergie verloren als über den Rest der Gebäudehülle. Das sind oftmals ungedämmte Rollläden, Heizkörpernischen oder Übergänge von Wand zu Fenster. Die Folge: An diesen Stellen der Wand kann sich Tauwasser bilden, das schließlich zu gesundheitsschädlichem Schimmel führt. Da die Gefahrenstellen bekannt sind, können die Wärmebrücken in einem neuen Haus gleich gedämmt werden. Das Gleiche gilt auch für den Altbau. XPS Wärmebrückendämmung lässt sich unproblematisch an den entsprechenden Stellen nachrüsten. Dazu muss man nicht die gesamte Fassade dämmen. Die Voraussetzung für eine wirksame Dämmung ohne Schimmelgefahren ist die fachmännische Planung und Ausführung. Ein unabhängiger Energieberater hilft dabei, die Wärmebrücken und Lüftungsengpässe zu entschärfen. Denn auch die Lüftung ist wichtig, da gilt:
Wände atmen nicht.
Atmende Wände – ob mit oder ohne Wärmedämmung – sind bauphysikalischer Unsinn. Der Luftaustausch vom Wohnraum nach außen und umgekehrt erfolgt über das Lüften. Bei alten Häusern auch über undichte Stellen wie Fenster und Türen. Bei einem gut gedämmten Haus muss durch eine ausreichende Luftwechselrate die Feuchtigkeitsabfuhr aus den Räumen sichergestellt werden. Sie erfolgt herkömmlich über Fensterlüftung oder durch kontrollierte Wohnraumlüftung. Oftmals nutzen die Lüftungsanlage die warme Abluft zum Vorwärmen der frischen Zuluft (Wärmerückgewinnung).
„Raus aus dem Haus: Richtige Dämmung vertreibt Schimmelpilz“
Laut einer Studie von dena und ifeu sinkt die Zahl der von Schimmel befallenen Wohnungen nach der energetischen Sanierung deutlich. Ca. 39 Prozent der Befragten hatten vor der Sanierung tatsächlich Probleme mit Schimmel. Nach der Sanierung sank dieser Anteil auf 7 Prozent (Beitrag unter www.sanieren-profitieren.de; www.dbu.de/123artikel35487rss.html).
Übrigens: Unsere EU-Nachbarn haben in Ihren neuen Häusern anscheinend keinerlei Schimmelprobleme. Das erzählten sie der Dolmetscherin inklusive anschließender Führung durchs neue Eigenheim. Hier gehört das Thema zum Alltag und zum Bauen und Modernisieren dazu. Und auch bei uns zeigt die große Mehrzahl gut gedämmter Häuser, was die richtige Dämmung an der richtigen Stelle alles kann. Da lohnt sich ein Sonntagsspaziergang im Ort mehr als eine „Märchenstunde der Medien“.