„Ways Of Life“ – Ideen und Entwürfe für Wohnhäuser auf dem Land
Neunzehn internationale Architekturbüros machten sich Gedanken, wie Häuser aussehen könnten, damit die Deutschen wieder aufs Land ziehen.
Das Ergebnis: kreative Ideen und außergewöhnliche Entwürfe für ein frei stehendes Einfamilienhaus auf dem Land. Das ganze Projekt wurde dieses Jahr im Rahmen der auf der Documenta stattfindenden experimenta urbana vorgestellt. Realer Projekt-Standort ist das Areal der Halbinsel Scheid im nordhessischen Waldeck. Doch eigentlich ist das egal, denn die Planer trieb die grundsätzliche Frage um, wie das Wohnen und Arbeiten zwischen Land und Stadt heutzutage gelöst werden kann.
Architekt und Initiator Christoph Hesse stellt gegenüber der FAZ klar
„Uns geht es insgesamt nicht darum, irgendeine Einfamilienhaussiedlung auf dem Land zu realisieren, sondern darum, den Evolutions- und Erneuerungsprozess, der gerade überall stattfindet, auch auf dem Land stattfinden zu lassen.“
Vorgaben gab es nicht viele, doch die, die es gab bezogen sich auf Kosteneffizienz und Klimaschutz. So durften die Entwürfe zwar experimentell ausfallen, sollten aber ohne allzu großen Aufwand tatsächlich baubare Haustypen anbieten. Umweltverträgliche Bauweisen und Materialien sollten Verwendung finden. Dabei ist die Größe der Häuser limitiert: Maximal 90 Quadratmeter Wohnfläche. Bei den Entwürfen spielten auch Themen wie die Digitalisierung oder die Mobilisierung von Arbeitsplätzen eine wichtige Rolle.
Die Entwürfe stehen, nur die Bauherren fehlen noch.
Ein einheimischer Entwickler soll die Häuser ab 2018 auf Bestellung bauen. Hat sich ein Bauherr für einen der Entwürfe entschieden, soll dieser an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche angepasst, schlüsselfertig und unter dem Vorsatz „gut und günstig auf dem Land bauen“ realisiert werden.
Entstanden sind 20 phantasievolle, manchmal futuristische, bisweilen auch traditionelle Wohnkonzepte. Eins haben alle Entwürfe allerdings gemeinsam. Sie werfen die Natur als großes Pfund in die Waagschale, welche die Bauherren aufs Land verschlagen soll. Natur wird ins Haus integriert etwa mit Dachterrassen und Dachgärten. Andere Projekte geben vielfältige Möglichkeiten, die Natur aus bisher ungewohnten Perspektiven und Blickwinkeln zu entdecken, was so in der Stadt definitiv nicht möglich ist.
The Open House
Im Wohnhaus von Cristoph Hesse verteilen sich die Wohnräume in einem unterirdischen und einem aufgeständerten Geschoss. Seinen Namen verdankt das Projekt der offenen Architektur im Inneren, die nahezu ohne Wände auskommt. So verschmelzen Einrichtung und Haus miteinander.
Ying & Yang
Das Projekt „Ying & Yang„ von Penda macht seinem Namen alle Ehre und richtet sich an harmoniebedürftige Bauherren. Harmonie zwischen Leben und Arbeiten auf dem Land. Harmonie zwischen innen und außen und zwischen Wohnraum und Natur. Die zwei Haushälften – unterteilt nach Wohnen und Arbeiten – befinden sich unter einem großen Dachgarten, der beidseitig wie zwei Tribünen nach innen hinuntersteigend – Stufe für Stufe – Platz und Räume für Garten und Terrassen bietet.
From Roots to Crowns
Das Projekt „From Roots to Crowns„ vom italienischen Architekturbüro Noa ist ein bewegliches Gebäude, das mithilfe einer hydraulischen Vorrichtung wie ein Fahrstuhl in drei verschiedene Positionen gehoben werden kann. Sinn und Zweck: So können die Bewohner die Natur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und erleben. Doch auch das Haus selbst ist naturnah – vom amorphen Baukörper bis hin zum Dachgarten, auf dem sogar Bäume Platz finden sollen.
Noch mehr Ideen gefällig?
Alle Projekte findet man als Bildergalerie unter:
www.schoener-wohnen.de/architektur/40202-bstr-so-wohnen-wir-zukunft/
Für moderne Architektur aufs Land ziehen?
Die Idee, internationale Architektur in die Kleinstadt zu holen, könnte sich auszahlen. Nach Lena Papasabbas vom Zukunftsinstitut verschwimmen die bisher unterschiedlichen Lebensstile von Landeiern und Städtern. Urban gardening und Nachbarschaftsinitiativen ziehen in die Metropolen ein, gleichzeitig erobert der urbane Lebensstil das Land – auch über die Speckgürtel der Großstädte hinweg. „Wenn alle infrastrukturellen Bedingungen gegeben sind, dann ist dieser Lebensstil ja in erster Linie ein Mindset. Ein Gefühl, das ortsunabhängig ist. Und wenn es auf dem Dorf moderne Architektur gibt und weitere Projekte, die Kreative anziehen, warum nicht?“, meint Lena Papasabbas.
Mehr zu Wettbewerb und Hintergründen:
FAZ-Beitrag Fürs Landleben der Zukunft – Architektur-Avantgarde in der Provinz