Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut, Professor für Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung an der HafenCity Universität Hamburg, über den Nutzen von Gründächern
Interview von Anja Schnake
Hamburg hat sich vor Kurzem eine Gründach-Strategie verordnet. Welche Rolle spielen Gründächer heute in der Innenstadt?
Sie sind eine wirksame Maßnahme, um auf den Klimawandel zu reagieren. In Zukunft werden wir mit mehr Niederschlägen und höheren Temperaturen zu rechnen haben. Gründächer reduzieren den Wasserabfluss und verbessern das Mikroklima. Zudem wird die Stadt weiter verdichtet, deshalb ist es sinnvoll, brachliegendes Potenzial auf Flachdächern zu nutzen und einen Teil der verlorengegangenen Grünflächen auf den Dächern zu realisieren.
Grüne Dächer reduzieren den Wasserabfluss? Wie genau machen sie das?
Normalerweise fließt das Regenwasser unmittelbar und sehr schnell in die Kanalisation und in die Gewässer ab. Gründächer speichern hingegen einen Teil des Wassers im Boden und verlangsamen den Wasserabfluss erheblich, sie wirken als sogenannte Retentionsräume. Langfristig verdunstet dadurch generell ein Teil des Regenwassers auf den Dächern.
Verdunstung wirkt sich ja auch auf die Umgebungstemperatur aus. Welchen Einfluss haben Gründächer bei hohen Temperaturen?
Sie wirken den höheren Durchschnittstemperaturen in den Innenstädten, sogenannten Hitzeinseln, entgegen, denn Gründächer heizen sich deutlich weniger stark auf als beispielsweise Flachdächer aus schwarzer Dachpappe, auf denen es im Sommer bis zu 80 Grad heiß werden kann. Die Verdunstung hat eine kühlende Wirkung. Dieser Effekt macht sich besonders in der Nacht bemerkbar: Während die Innenstädte typischerweise kaum abkühlen, sinkt die Temperatur in ländlichen Gegenden nachts schneller und stärker – zum Vorteil der Bewohner.
… die auf dem Land also besser schlafen können. Was tragen Gründächer außerdem zur Lebensqualität ihrer Nutzer bei?
Neben den ökologischen Aspekten spielt in innerstädtischen, stark verdichteten Bereichen die Aufenthaltsqualität eine große Rolle. Ein gelungenes Gründach sollte begehbar sein und einen Platz schaffen, an dem sich die Kollegen oder Nachbarn treffen und den sie wie einen Garten zum Erholen, Essen und Trinken nutzen können.
Nun hat ja ein echter Garten andere Wachstumsvoraussetzungen als ein Gründach in, sagen wir, 30 oder 40 Metern Höhe. Wie sollte man so ein grünes Dach bepflanzen?
Das hängt natürlich in erster Linie von den Nutzungsansprüchen ab. Wer wenig Pflegeaufwand betreiben möchte, muss eine Extensivbegrünung mit anspruchslosen Sedumarten wählen, die ohne Bewässerung auskommen. Wem die Aufenthaltsqualität sehr wichtig ist, der nimmt eine Intensivbegrünung mit Sträuchern oder Blumenwiese. Das erfordert aber auch eine höhere Schichtdicke, andere Systeme zur Bewässerung und insgesamt mehr Pflege. In jedem Fall würde ich Pflanzen wählen, die in unseren Breitengraden wachsen und nicht stark bewässert werden müssen.
Unterbau und Bewässerungsanlagen können also variieren. Was muss man für das grüne Dach aus baulicher Sicht beachten?
Extensivbegrünung hat eine Schichtdicke von etwa zehn Zentimetern, daraus ergeben sich für das Gebäude keine zusätzlichen statischen Anpassungen. Bei der Intensivbegrünung mit mehr als 40 Zentimetern Schichtdicke ist das etwas anderes, insbesondere deshalb, weil diese Schichten ja zusätzlich zum eigenen Gewicht noch Wasser aufnehmen.
Lohnt sich der Mehraufwand in der Herstellung finanziell?
Das kommt drauf an, wie man es betrachtet. In der Investitionsphase kosten Gründächer mehr Geld, mittelfristig amortisieren sich aber diese Kosten, weil die Bepflanzung das Dach besser vor UV-Strahlung schützt. Damit steigt seine Lebensdauer. Für Mieter kann es sich ebenfalls lohnen: Wer ein Gründach hat, zahlt in vielen Städten – übrigens auch in Hamburg – weniger Abwassergebühren.
Was glauben Sie, welche Entwicklungen Gründächer künftig nehmen werden?
Sie werden in den Städten sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Die Kommunen werden noch mehr Anreize für Gründächer schaffen, und auch Investoren werden sich für sie entscheiden, weil sie die höhere Aufenthaltsqualität gut vermarkten können.
Erstveröffentlichung des Interviews in „HafenCity News“ http://www.hafencity.com/
Vielen Dank nach Hamburg an Anja Schnake, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut und die „HafenCity News“
Hamburg, Paris, Rotterdam….weltweit erkennen die Städte die Notwendigkeit und das Potential zur Dachbegrünung! Mehr Informationen dazu unter : http://www.igra-world.com/links_and_downloads/Igra-Green-Roof-News-2-2015.pdf
Absolut notwendig mehrere Strategien zu nutzen zur Umweltschutz.
Wie schön dass man auf so ein unauffallende Art beitragen kann zur Nachhaltichkeit. Ich glaube dies ist die Zukunft.
Danke für die guten Informationen zur Dachbegrünung. Bekannte haben sich bei ihrem Neubau bewusste für ein grünes Dach entschieden. Sie haben das auch so geplant, dass sie das Dach gleichzeitig als Terrasse nutzen können.