Dämmstoffkontroverse – EnEV 2017 – Klimaschutzplan 2050
Bauherren und Hauseigentümern wird es zurzeit nicht gerade einfach gemacht. Anscheinend sind unsere Wohnhäuser die CO2-Verursacher Nummer 1 und Hauseigentümer die einzige Zielgruppe weit und breit, bei denen es immer was zu holen gibt.
Wenn es nach unserer Regierung ginge, soll nicht nur jeder sofort Hand anlegen, sondern dafür auch ordentlich Geld in die Hand nehmen. Und das zu Zeiten wo Mieten, Immobilien, Grundstücke und Bauleistungen teurer sind denn je.
Noch im letzten Wahlkampf stand das Thema Klimaschutz ganz oben auf der Liste der Lieblingsthemen, um die Gunst der Wähler zu gewinnen. Seitdem gilt Angela Merkel als Klimakanzlerin. Doch für den anstehenden Wahlkampf 2017 werden alle klimapolitischen Themen gemieden. Sogar ausstehende Entscheidungen werden auf Eis gelegt. Eine Gesetzes-Novelle folgt der anderen: EU-Gebäuderichtlinie, Energieeinsparverordnung (EnEV), Energieeinsparungsgesetz (EnEG), Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) – und alles wird immer komplizierter. Nicht nur Bauherren, auch Planer, Energieberater und Bauunternehmen müssen sich im Wochentakt auf neue Voraussetzungen einstellen und oftmals das ausbaden, was Gesetze und Vorschriften nicht hergeben. Wie eine formale Gesetzesänderung alles durcheinanderbringen kann, zeigte sich vor kurzem an der Kontroverse über die Entsorgung von Dämmstoffen.
In den letzten Wochen sorgten verschiedene Medienberichte – angefangen von der TV-Sendung „Mario Barth deckt auf“ bis zur Seite eins führender deutscher Tageszeitungen – für Aufregung. Was war passiert?
Zum 1. Oktober 2016 wurde das Flammschutzmittel HBCD, das in vielen alten Polysterol-Dämmstoffen enthalten ist, zusätzlich als „gefährlicher Abfall“ deklariert. Grund für die verschärfte Umsetzung einer EU-Richtlinie durch den Deutschen Bundesrat ist die Stockholmer POP-Konvention, die HBCD bereits seit 2014 als umweltschädlich einstuft. Dies führte – neben besorgten Bauherren und Hausbesitzern – zu einem handfesten Entsorgungschaos: Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz fordert eine strikte Trennung sowie die gesonderte Entsorgung von Gefahrstoffen. Da den meisten Verbrennungslagen entsprechende Technik und Zulassung fehlen, verweigerten sie schlicht die Annahme von Styroporplatten. Handwerker und Bauherren saßen auf ihrem Bauabfall fest und mussten mit erheblichem Mehraufwand bei der Entsorgung rechnen.
Das Bundesumweltministerium bat daraufhin die Länder um Rücknahme der Sondermüll-Einstufung. Beispielsweise Hessen und Baden-Württemberg reagierten bereits mit einem entsprechenden Erlass, der formales Recht und optimale Gefahrstoffentsorgung zusammenbringt: „Der Erlass regelt, dass HBCD-haltige Dämmplatten abweichend vom Grundsatz des Kreislaufwirtschaftsgesetzes bis auf weiteres nicht an der Baustelle getrennt werden müssen. Darüber hinaus handelt es sich, wenn im Baumischabfall nicht mehr als 0,5 Kubikmeter HBCD-haltige Dämmplatten pro Tonne Gesamtgewicht enthalten sind, nicht um gefährlichen Abfall. Dieser kann dann wie bisher in Hausmüllverbrennungsanlagen verbrannt werden“, erklärte Priska Hinz, Hessens Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in einer Presseaussendung. Andere Bundesländer werden nachziehen. Damit wäre das Entsorgungsproblem wieder entschärft, alles bleibt damit erst einmal beim Alten. Doch zurück bleiben verunsicherte Hauseigentümer und genervte Bauunternehmen.
Mehr dazu: www.ausbauundfassade.de/news/13195-kontroverse-um-daemmstoffentsorgung-beseitigt
Auch die Novellierung der Energieeinsparverordnung liegt auf Warteschleife – obwohl bereits die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie mit verschärften Anforderungen für Neu- und Altbauten ansteht
Wenn es nach der Europäischen Union geht, sollen ab 2021 ausschließlich Niedrigstenergiegebäude in der EU gebaut werden. Und genau daran hapert es bei uns zurzeit. „Die Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie in deutsches Recht erfolgt über das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), das im Paragraphen 2a vorsieht, dass Deutschland bis Ende des Jahres die EU-Vorgaben zur Errichtung von Niedrigstenergiegebäuden für öffentliche Nichtwohngebäude und bis Ende 2018 für alle anderen Immobilien umsetzt. Im Zuge dessen sollte auch die Energieeinsparverordnung (EnEV) novelliert werden und ab 2017 in Kraft treten“ umreißt die ina Planungsgesellschaft der Universität Darmstadt die Zielstellung. Problem dabei: Bisher ist ungewiss, welche Anforderungen so ein Niedrigstenergiehaus in Deutschland überhaupt erfüllen soll.
Und das ist nicht die einzige Hürde. Anscheinend entpuppt sich die EnEV als nächste deutsche Großbaustelle. EnEG, EnEV und EEWärmeG (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz) sollen aufeinander abgestimmt und in eine gesetzliche Regelung zusammengeführt werden. Aus zwei mach eins – an sich eine gute Idee, doch bisher liegen noch keine Ergebnisse vor. Ein Knackpunkt: „Seit 2009 fordert das EEWärmeG den gesonderten Nachweis eines vorgegebenen Mindestanteils an erneuerbar erzeugter Wärme. Mit einer weiterer Verschärfung der EnEV-Anforderungen, maßgeblich des Primärenergiebedarfs, ist fraglich, ob noch eine gesonderte Regelung zu einer Quote für erneuerbar erzeugte Wärme notwendig ist“, sagt Michael Keller, Geschäftsführer der ina Planungsgesellschaft mbH (ina) in Darmstadt.
Damit die Novelle der EnEV auch dem aktuellen Stand der Technik entspricht und damit auch praxistauglich wird, sind weitere Änderungen notwendig. Etwa die Energetische Gebäudebewertung als Grundlage für alle Maßnahmen und Investitionen. Die Bilanzierungen nach DIN V 18599 mit Stand vom Dezember 2011 sind anzupassen, der Katalog für Anlagenkennwerte für bestehende Nichtwohngebäude zu überarbeiten und auch die zahlreichen Reformen der EnEV 2014 sowie neuen Bekanntmachungen sind nachzuhalten.
Umweltministerin Barbara Hendriks drohte Mitte November mit leeren Händen zur Klimakonferenz nach Marrakesch zu reisen.
Schuld war der längst fällige Klimaschutzplan – der keine rechte Einigung finden wollte, beziehungsweise immer wieder zum Stillstand diskutiert wurde. Ob Wirtschaftsressort, Kanzleramt oder Verkehrs- und Landwirtschaftsministerium: „Ein Bekenntnis zum Klimaschutz wollen sie ihrer Klientel vor der Wahl nicht zumuten“ beschreibt es die Bundesdeutsche Zeitung treffend. Dabei soll der Klimaschutzplan über die Legislaturperiode hinaus als Langfriststrategie und Handlungsleitfaden bevorstehende Investitionen in den Klimaschutz benennen und deren Wirkung aufzeigen. „Hendricks will mit dem Klimaschutzplan aufzeigen, wie Deutschland bis 2050 den Netto-Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen Richtung Null bringen kann“ so die Deutsche Welle.
Nun beschlossene Sache: Insgesamt mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2030. Doch wie das erreicht werden solle und innerhalb welcher Sektoren, war bis gestern noch unklar. Über die Zielwerte wurde bis zuletzt gefeilscht. Die Zielvorgabe zur Emissionseinsparung im Gebäudebestand wurde nun bei 66 Prozent im Vergleich zu den Emissionen im Jahr 1990 fest gemacht. Das heißt, von 290 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen in 1990 auf ca. 70 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Kleine Zwischenbilanz: Im Jahr 2014 lagen wir bei ca. 120 Millionen Tonnen. Damit wurde für den Gebäudesektor wiederum das höchste Einsparziel herausgegeben. Zum Vergleich: Die Energiewirtschaft solle ihre Emissionen um etwa 61 Prozent mindern, die Industrie um ca. 50 Prozent, der Verkehr um ca. 40 Prozent und die Landwirtschaft um gut 30 Prozent. „Ein verbindliches Klimaschutzgesetz ist der Plan aber nicht“ so die Deutsche Welle weiter.
Weiterlesen: www.dw.com/de/deutsche-regierungskoalition-einigt-sich-auf-klimaschutzplan-2050/a-36356760
Mehr dazu unter: bundesdeutsche-zeitung.de/headlines/politics-headlines/klimaschutzplan-2050-darf-nicht-laenger-blockiert-werden-963205
Der Klimaschutzplan 2050 in Kurz- und Langfassung: www.bmub.bund.de/themen/klima-energie/klimaschutz/klima-klimaschutz-download/artikel/klimaschutzplan-2050/
Wenn es in Deutschland schon drunter und drüber geht, wie sieht es dann erst in der Welt aus? Globalisierung und weltweiter Klimaschutz – deutsche Bauherren und Hauseigentümer reagieren nicht ohne Grund genervt. Wer jetzt neu baut und sich brav an die gesetzlichen Vorschriften hält, kann schon morgen nicht mehr sicher sein, wie lange bestehende Standards auf Länder- und EU-Ebene noch gültig sein werden. Planungs- und Kostensicherheit sehen anders aus. Während immer mehr Deutsche beim Bauen sehr wohl auf Umweltbewusstsein und Energieeffizienz setzen, schafft es die Regierung hier nicht, für Klarheit zu sorgen. Gefragt sind klare, verständliche und eindeutige Vorgaben anstatt einer weiteren Verdichtung des Paragraphendschungels. Zielgerichtete Hilfe bei Planung und Umsetzung. Und vielleicht auch kleine finanzielle Anreize für die vergleichsweise großen Investitionen des Einzelnen.
BZ hierzu: „Es ist wichtig, dass die Bundesregierung … Vorschläge unterbreitet, wie die Klimaziele eingehalten und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung und der Wohlstand in unserem Land gestärkt werden können.“