NRW will ohne EnEV bauen

Mit 4.700 € Zuschuss fördert Nordrhein-Westfalen den Neubau von Eigenheimen im Passivhaus-Standard.

Klimaschutzplan NRW - Quelle: tzplannrw-MKULNV NRW

Klimaschutzplan NRW – Quelle: tzplannrw-MKULNV NRW

Energieeffizienter Neubau steht neben Erneuerbaren Energien im Fokos des noch gut bestückten Landesprogramms progress.nrw. Das kleine Wörtchen „noch“ ist dabei das Hauptwort des Satzes.
Nach der Landtagswahl wollen die neuen Koalitionspartner CDU und FDP auf mehr Wohnungsbau drängen. Die nötige und derzeit gesetzlich geforderte Energieeinsparung für den Klimaschutz stört da. Die künftige Landesregierung plant die energetischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) über Erlasse auf Landesebene und über eine Bundesratsinitiative abzuschwächen. Der Grund dafür: Die Auflagen der EnEV stellen ein Hemmnis für Wohnungsbau-Investitionen dar.

Noch ist unter umwelt.nrw.de die treibene Kraft der abgewählten Landesregierung zu lesen: „In NRW werden ein Drittel aller in Deutschland entstehenden Treibhausgase emittiert. Daher geht die Landesregierung neue Wege in der Klimaschutzpolitik.“ Ob das Förderprogramm progress.nrw oder die emsige Beratung und Aufklärungsarbeit der Energieagentur NRW: Wird heute „Klimaschutz in nrw“ ganz groß geschrieben, brauchen wir ihn morgen nicht mehr? Dabei sind schon jetzt die von Bund und EU gesetzten politischen Klimaschutzziele für 2050 kaum noch zu erreichen.

Und nicht nur das. Umweltbewusstes und energieeffizientes Bauen gehört schon heute zum Alltag. Jeder Bauherr könnte dem Koalitionspartner da sicherlich eine Gegenrechnung aufmachen. Besonders Bauherren, die aufs Geld schauen, ziehen in Passivhäuser und Niedrigenergiehäuser ein, welche die Mindestanforderung der EnEV sogar um einiges übererfüllen. In jeder deutschen Stadt gibt es mittlerweile unzählige energieeffiziente und bezahlbare Wohnhäuser mit tollem Wohnkomfort. Die richtige Balance zwischen Technik und Gebäudehülle macht jeden Neubau zum Energiesparhaus.

Warum zurückgehen? Umweltbewusst zu bauen ist keine Entscheidung, die man morgen wieder über den Haufen wirft. Bauherren wollen Sicherheit, einen Platz zum Leben und Wohlfühlen – und das auch in der Zukunft. Erst in diese Woche zogen passend dazu schwarze Gewitterwolken über Deutschland. Ohne Klimaschutz keine intakte Umwelt und massive Auswirkungen des Klimawandels auf unser alltägliches Leben und Wohnen. Einige Institutionen finden zu dieser Entwicklung klare Worte:

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH):

„Dass die neue Landesregierung in NRW auf Druck der Baulobby die Effizienzstandards für den Neubau entkräften möchte, ist ein sehr schlechtes Signal für den Klimaschutz. Abgeschwächte Energieeffizienzstandards führen weder zu zusätzlichem Wohnraum noch zu sinkenden Mieten. Bei den gesamten Baukosten spielen Effizienzstandards eine untergeordnete Rolle. Einmal mehr wird der vermeintliche Konflikt zwischen bezahlbarem Wohnraum und Klimaschutz missbraucht, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Statt dieses alte, bereits widerlegte Argument immer wieder zur Schwächung der Energieeinsparverordnung ins Feld zu führen, brauchen wir ernsthafte Bemühungen für den Klimaschutz. Alle Gebäude, die heute neu gebaut werden, müssen mit dem Klimaschutzziel für 2050 konform sein. Ansonsten müssen wir vor dem Jahr 2050 nachjustieren, was zusätzliche Sanierungsmaßnahmen und Kosten bedeuten würde. Die Energieeinsparverordnung kann nur zum Klimaschutz beitragen, wenn sie Planungssicherheit bietet und ihre Anforderungen an den langfristigen Zielen für Energieeffizienz und Treibhausgasminderung ausrichtet.“

Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff):

„Durch niedrigere EnEV-Standards würden weder zusätzlicher Wohnraum geschaffen noch Mieten gesenkt, da die Baukosten in der Praxis vergleichsweise wenig von Energieeffizienzstandards beeinflusst seien.“ Vor allem Mieter und Kommunen würden „durch unnötig hohe Energiekosten über sehr lange Zeit zusätzlich belastet und das Wohnen würde mittelfristig“ sogar enorm teurer.

Deneff Brandbrief gegen Aufweichung von Gebäudestandards an Bau und Energiepolitiker

Zurück zu den Baukosten

Erst im März haben wir in unserem Beitrag „Kostentreiber für energieeffizientes Bauen“ darüber berichtet, wo sich nach Analyse der ARGE die Preistreiber im energieeffizienten Neubau wirklich verstecken. AEGE hatte dazu die Preis- und Kostenentwicklung für Roh- und Ausbau der vergangenen 16 Jahre sowie für die unterschiedlichen Energieeffizienzstandards von Wohngebäuden analysiert. Steigende Kosten für die Gebäudetechnik stehen dem über Jahre hinweg konstanten Kostenniveau für die Wärmedämmung gegenüber. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich mit einer genaueren Planung der Gebäudedämmung die Kosten im Wohnungsbau reduzieren ließen, wenn sie für die Anlagentechnik gesenkt werden können.

Bereits in einer früheren Studie benannte die ARGE die zentralen Kostentreiber. Auch hier berichteten wir im Beitrag „Teurer Wohnungsbau – die Kostentreiber„. Demnach schlagen vor allem die gestiegenen Qualitätsansprüche und ordnungsrechtlichen Vorgaben, darunter auch Energieeffizienz, Barrierefreiheit, Standsicherheit, Brand- und Schallschutz etc. zu Buche. Der Kostenanstieg im Bereich der Baulandpreise, der Steuer- und Gebührensätze sowie der Abschreibungsmöglichkeiten trägt sein Übriges dazu bei. Eine Vielzahl kommunaler Auflagen verstärkt den Teuerungsprozess zusätzlich: Ordnungsrechtliche Vorgaben, kommunale Auflagen, Gebühren und Steuern mittlerweile über 24.000 Euro Mehrkosten je Neubauwohnung. Speziell in Ballungsgebieten mit ansteigendem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum führt das zur weiteren Verschärfung der angespannten Wohnungsmarktsituation.

Schneller und preisgünstiger Wohnungsbau als „serielles Bauen“

Hoffnungen setzten Politiker und vor allem öffentliche Wohnungsunternehmen in ein neues Ausschreibungsverfahren. Serielles Bauen heißt das Zauberwort. Mit einer Ausschreibung für „Serielles Bauen“ wollen das Bundesbauministerium, der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW, die Bundesarchitektenkammer und die Bauindustrie neue Wege gehen, um den Bau preisgünstiger Wohnungen in hoher Qualität zu beschleunigen.
Wohnungsunternehmen sollen zukünftig mit mehreren Bietergemeinschaften aus Planung und Ausführung eine Rahmenvereinbarung über den Neubau mehrgeschossiger Wohngebäuden in serieller und modularer Bauweise abschließen können. So könnten sie ohne weitere Verfahren Angebote aus der Rahmenvereinbarung lokal angepasst direkt realisieren und so die Vorlaufzeiten von Bauvorhaben erheblich verkürzen. Mehr dazu auf: www.baulinks.de

Copy & Paste im Wohnungsbau?

Der einzige und durchaus wichtige Haken dabei: Reale Bauvorhaben für das neue Verfahren gibt es noch nicht. Es fehlt noch an neuen, innovativen Wohnungsbaukonzepten, die bereits in wenigen Monaten in deutschen Städten für zeitgemäßen Wohnraum und eine Marktentlastung sorgen könnten. In einem europaweiten Ausschreibungsverfahren sucht das Bundesbauministerium nun händeringend danach, Bewerbungen sind bis 27. Juli 2017 möglich. Doch ist das nicht die falsche Reihenfolge? Sollte man Erleichterungen nicht für bereits umgesetzte Projekte gewähren? Projekte, die sich bereits bewährt haben und die es erlauben, gezielt an den Baukosten anzusetzen?

Und genau hier haben Bauherren ihres Eigenheims einen klaren Vorteil. Etwa am jährlich stattfindenden Tag des Passivhauses in diesem Jahr am 10. und 11. November. Passivhauseigentümer laden zur Besichtigung ihrer Häuser ein. Hier kann sich jeder sein eigenes Bild machen und funktionierende Wohnkonzepte und Ideen entdecken. Energieeffizientes Bauen hautnah und zum Anfassen auch für Armin Laschet und Christian Lindner.

 

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Ein Kommentar zu “NRW will ohne EnEV bauen

  1. „Passivhauseigentümer laden zur Besichtigung ihrer Häuser ein. Hier kann sich jeder sein eigenes Bild machen und funktionierende Wohnkonzepte und Ideen entdecken.“ Ein tolles Konzept wie ich finde! Ich kann aus meiner Perspektive berichten, dass ich solch ein Angebot durchaus in Anspruch nehmen würde. Warum? Wenn man eventuell mit dem Gedanken spielt, ein Passivhaus zu bauen, stellen sich viele Fragen. Und wenn man sich Ergebnisse anschaut, bei denen es funktioniert, können viele Fragen beantwortet werden und auch das Risikogefühl kann drastisch gesenkt werden. Nach dem Motto: „Wenn es klappt, dann kann es auch bei mir klappen.“. Sorgen werden weniger und Unentschlossene entscheiden sich dann eher für dieses umweltbewusste Konzept der Passivhäuser!

    Es wird viel über Umwelt gesprochen und sich dem Umweltschutz positiv gesinnt, aber was fehlen sind die Aktionen. Umweltschutz bringt nichts, wenn man auch nicht handelt. Und diese Tage der Passivhäuser mit der Möglichkeit der Besichtigungen ist so eine Aktion, die in gewisser Weise auch den Umweltschutz voran treibt. Selber Bauen stelle ich mir sehr herausfordernd und anspruchsvoll. Egal wie gut eine Baustelle geplant ist, Risiken sind immer vorhanden. Aber auch aus diesem Grund gibt es für private Bauherren unterschiedlichste Versicherungen wie die Bauherrenhaftpflichtversicherung oder Haftpflichtversicherung für unbebaute Grundstücke, die im Falle der Inanspruchnahme den Beteiligten versichern soll. Ich habe vor kurzem erst meine Haftpflicht gewechselt zu https://www.basler.de/privatkunden/haftpflicht-recht/haftpflicht/privathaftpflicht.html , denn auch im privaten Leben sollte man ausreichend versichert sein. Auf dem Bau nämlich auch!

    Zusammenfassend möchte ich mich recht herzlich für den Artikel bedanken. Es wurden tolle und interessante Punkte angesprochen. Mein Prädikat für diesen Artikel: Lesenswert! Viele Grüße.

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