Ökologisch Bauen

Wirkungsvoller als man denkt

Mittlerweile ist ökologisches Bauen nicht mehr nur Ökofreaks mit Traumfängern im Garten vorbehalten. Wer ökologisch denkt oder aber einfach nur zeitgemäß bauen will, hat es heute viel leichter und ist eher ein Trendsetter, als ein Träumer.

Retentionsdach zum Regenrückhalt

Retentionsdach zum Regenrückhalt, Werkmann College – Groningen Foto: © OPTIGRÜN

Dennoch werden in Deutschland 70 Hektar oder anschaulicher Flächen der Größe von 100 Fußballfeldern versiegelt – betoniert, asphaltiert oder zugebaut – und zwar jeden Tag, 365 Tage im Jahr. Überschwemmungen und Aufheizungen sind die Folge. Oft wird erst aus  der vermeintlichen Not eine Tugend gemacht. Etwa zu wenig Grünflächen in den Großstädten und fehlende Bauplätze, dafür viele alte und ungenutzte Dachflächen, die mehr und mehr in den Fokus rücken und begrünt werden.

Dachbegrünung unter dem Aspekt des Klimawandels

Bauherren und Bewohner haben beim Gründach vor allem den Zusatznutzen und Komfortgewinn bisher ungenutzter Flächen als Dachterrasse, Dachgarten oder ganzer Nutzgärten zum Urban Gardening im Auge. Darüber hinaus ist die Begrünung von Gebäuden ein immer wichtigerer Beitrag zum ökologischen und nachhaltigen Bauen geworden.

Über 90 Prozent der deutschen Kommunen mit über 100.000 Einwohnern haben Gründächer in ihre Satzung aufgenommen, sei es durch Bauvorschriften, Förderprogramme, Gründachstrategien oder Gründachkataster. Das Interesse von Kommunen zielt vor allem auf den Regenwasserrückhalt und die Kleinklimaverbesserung ab. Denn Gründächer können als hilfreicher Sicherheitspuffer zum Regenwasserrückhalt genutzt werden. Je nach Bauart halten Gründächer 50-90 Prozent der Niederschläge zurück. Diese natürliche Verzögerungstaktik minimiert das Regenaufkommen und entlastet die Kanalisation enorm. Ein Großteil dieses Wassers verdunstet, der Rest fließt zeitverzögert ab. Ein herkömmlicher und vielerorts bereits seltener, ausgewachsener Stadtbaum verdunstet 300 bis 500 Liter Wasser am Tag. Ein 100 Quadratmeter großes, extensiv bepflanztes Gründach kommt bei guter Wasserversorgung in dieselbe Größenordnung. Bei der Nutzung spezieller Pflanzenfamilien kann dies auf 700 bis 1.000 Liter pro Tag verbessert werden. Mittels Gründächer entsteht durch Verdunstung und Kühlungseffekt ein verbessertes Kleinklima im direkten Wohnumfeld.

„Problemkind“ Flachdach? – Lösung: Umkehrdach

Die hohe Feuchtigkeitsbelastung eines Gründaches war für herkömmliche Flachdachkonstruktionen als Grundkonstruktion lange Zeit nicht unproblematisch. Vor allem die Temperaturschwankungen, die im Jahresverlauf von starker Sonneneinstrahlung bis zu Frost eine mögliche Temperaturdifferenz von bis zu 100 Kelvin aufweisen, machten der nackten Dachabdichtung zu schaffen. Leckanfällig, wartungsintensiv und von kurzer Lebensdauer waren sie weder nachhaltig noch wirtschaftlich.

Dass Flachdächer mittlerweile nicht nur dicht bleiben, sondern sogar zum Regenrückhalt genutzt werden können, verdanken wir der technischen Weiterentwicklung. Einerseits gibt es enorm verbesserte Baustoffe, aber auch neue Technologien wie das Umkehrdach. Bei einem als Umkehrdach konstruierten Flachdach wird die Dämmschicht oberhalb der Dachabdichtung verlegt. Eigens für den Einbau unter der Bodenplatte und als Perimeterdämmung von Kellerwänden entwickelte Dämmstoffe (z. B. XPS) stellen auf Grund ihrer wasserresistenten und druckfesten Eigenschaften hingegen eine optimale und tragfähige Basis für den Aufbau eines Gründachs dar. Die Wärmedämmung entlastet die Dachabdichtung enorm und schützt sie zusätzlich. Das Fraunhofer-Institut stellte fest, dass eine Umkehrdachkonstruktion dadurch die Lebensdauer eines Daches verdoppelt. Ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit von Gebäuden. Ein begrüntes Dach senkt die Temperaturschwankungen für eine Dachabdichtung um ca. 30 Kelvin ab und verringert somit Schädigungen und Leckagen. Untersuchungen haben gezeigt: Gründächer reduzieren im Vergleich zum konventionellen Dachaufbau sowohl den Wärmeeintrag im Sommer als auch den Wärmeverlust im Winter bis zu 19 Prozent. Durch die Dachdämmung kommen nochmals ca. 30 Prozent – alleine an eingesparten Energieverlusten – auf dem Dach hinzu.

Ökobilanz als Maßstab

Die hohe Feuchtigkeitsbelastung eines Gründaches schließt eine Verwendung natürlicher Dämmstoffe an dieser Stelle aus. Doch kann man überhaupt ökologisch bauen und dabei industriell hergestellte Baustoffe verwenden? Es klingt auf den ersten Blick widersprüchlich: Dämmstoffe auf Erdölbasis zu verwenden, um Heizöl zu sparen und die Umwelt zu entlasten. Erreichen wir damit nicht möglicherweise genau das Gegenteil?

Hierzu braucht es eine Gesamtbetrachtung. Denn nicht nur Baustoffe und Technik, auch das Wissen über die Nutzung erneuerbarer Energien und effizienter Ressourcenkreisläufe hat sich in den letzten zwanzig Jahren enorm erweitert. Bei der ökologischen Betrachtung von Baustoffen ist heutzutage die gesamte Ökobilanz ausschlaggebend. Hier fließen alle Faktoren der Ausgangsstoffe, der Herstellung, des dazu erforderlichen Energieverbrauchs, der Transport und die Verarbeitung auf der Baustelle, die Lebensdauer und Wiederverwertung bzw. Entsorgung und die Umweltbelastung ein.

Mittlerweile gibt es unzählige Baustoffe mit positiver Ökobilanz zur Auswahl, auch künstlich hergestellte Dämmstoffe. So ergab die Untersuchung von Dämmplatten aus Extruderschaum, die für die Anwendung im Umkehrdach zugelassen sind, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch sowie die Umweltbelastung durch die Herstellung gegenüber der großen Menge eingesparter Heizenergie kaum ins Gewicht fallen. Bereits im zweiten Jahr werde mehr Energie eingespart, als für die Herstellung nötig war. Durch die Verwendung der Dämmung kann so im Zeitraum des Lebenszyklus des Materials bis zu 300-mal und mehr Energie eingespart werden, als für die Herstellung verbraucht wurde. Die CO2-Einsparung schlägt mit ca. 25 Kilogramm – 70 Kilogramm pro Quadratmeter – zu Buche, je nach vorherigem energetischen Zustand des Gebäudes.

Der Mythos also, dass Kunststoffdämmung und ökologisches Bauen nicht zusammengehen, ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Viele moderne Bauten, die von unabhängigen Instituten, wie der Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), zertifiziert sind, nutzen Dämmstoffe gezielt, gerade um ihre Ökobilanz zu erhöhen. Die Wahl einzelner Baustoffe sowie die Konstruktion und der Aufbau jedes Bauteils spielen eine wichtige Rolle.

Das Gründach schafft es, einen Bogen zu schlagen, über die positive Ökobilanz einzelner Baustoffe hinaus zum wirkungsvollen Instrument gegen den Klimawandel – und das letztendlich nicht auf Kosten der Bauherren.

Eine Kommission der Freien und Hansestadt Hamburg hat die wirtschaftlichen Dimensionen der Dachbegrünung bewertet. Das Ergebnis: Die Herstellungskosten eines Gründaches betragen in etwa 1,3 Prozent der gesamten Baukosten. Die Investition in Dachbegrünung ist umso lohnenswerter, je früher das Thema in die Planung eingebracht wird. Und wenn man zugrunde legt, dass das Umkehrdach die Lebensdauer des Daches verdoppelt und fortwährend Energie spart, ist das ein enormer Kosten- und Nachhaltigkeitsfaktor.

 

7 Kommentare zu “Ökologisch Bauen

  1. Vom Gründach habe ich nicht gewusst, dass das so viel Wärme uns sparen kann, sowie auch im Sommer den Wärmeeintrag. Ich habe immer gedacht, dass dadurch Probleme mit der Feuchtigkeit im Elternhaus entstehen können. Die heizen mit Öl und finden das günstig in der Kombination mit einem Kamin, der in dem Erdgeschoss als zusätzliche Wärmequelle gilt. Danke für die Tipps!

  2. Ein Architekt denkt sich hier:
    Ein sehr schlecht recherchierter Artikel, der falsche Tatsachen angibt, um die Verwendung von hochproblematischen Baustoffen wie Polystyrolschäumen mit bromierten Flammschutzadditiven zu rechtfertigen. Vor Verwendung von EPS oder XPS (Expandiertes Polystyrol Hartschaum) sollte sich jeder erstmal den Wikipedia-Eintrag zu Polystyrol durchlesen. Nicht nur die Umwelt wird vergiftet, auch die Menschheit vergiftet sich selber (Wikipedia: Hexabromcyclododecan). Die Gesamtökobilanz ist katastrophal und auch der gern und viel zitierte Energie-Inhalt ist deutlich höher als bei allen natürlichen Dämmstoffen (einfach Proben verschiedener Dämmstoffe verbrennen und die Energieausbeute vergleichen). Die Verwendung von Polystyrol ist somit absolute Energieverschwendung. Gründächer gibt es schon seit tausend Jahren und es bedarf lediglich einer gewissenhaften Planung, der Dämmstoff selbst spielt dabei keine große Rolle. Das Dach muss dicht sein und dafür ist es völlig egal, ob die Dämmung im Trockenen oder wie hier beschrieben im Nassen liegt (Umkehrdach).
    Vermutlich handelt es sich bei dieser Seite um ein Werkzeug der Polystyrol-Lobby (man nutzt allgemein anerkannte Tatsachen mit positivem Image um den Menschen die Notwendigkeit des Überflüssigen zu implizieren). Jedem sei dringend anzuraten sich selbst zu belesen, bevor man solchen zugegebenermaßen gut gemachten Artikeln glaubt und das mit katastrophalen Folgen für diesen Planeten.

    • Lieber Jesse,

      danke für Ihren Beitrag. Wir steigen gerne in Diskussionen ein, besonders dann, wenn wir anderer Meinung sind. Sonst wären es ja keine Diskusssionen – oder nennen wir es lieber Austausch. Dafür ist das hier alles… Hexabromcyclododecan ist seit 2015 weltweit verboten und in keinem Dämmstoff mehr enthalten. Damit sind die Dämmstoffe auch recycelbar. In den öffentlich zugänglichen Umweltproduktdeklarationen (EPD) des unabhängigen Institutes für Bauen und Umwelt – kann man alle umweltrelevanten Daten einsehen. Vergleicht man diese mit Ökodämmstoffen, wird man Erstaunliches feststellen: Polystyrol:98% Luft, nur 2% Material, amortisiert sich energetisch nach einem Jahr und spart dann länger als jeder andere Stoff (also zumindest XPS – ein hauslebenlang) Energie und somit CO“ ein. Damit ist das Material tatsächlich auf Augenhöhe mit den viel kurzlebigeren Naturdämmstoffen. Zudem können Sie weder ein Gründach noch eine Bodenplatte mit Ökodämmstoffen dämmen. Wir betreiben diesen Blog hier um genau solche spontanen Reflexe über das was gut und schlecht ist mit Fakten auszuräumen. Dabei geht es uns um jegliche Materialien. Der Anteil der Ökodämmstoffe muss erhöht werden, keine Frage. Aber Kunststoff ist ja nicht per se böse, sondern macht bei langem Einsatz ökologisch sehr wohl Sinn. Lesen Sie mal die Fakten in den EPDs. Über Ihre Meinung dazu freuen wir uns ehrlich und offen!

    • Ja, auch Glasschaum ist geeignet. Extruderschaum und Glasschaum sind die beiden einzigen Dämmstoffe, die die Zulassung für Umkehrdächer haben. Denn in der Anwendung Dach muss natürlich ein Maximum an Feuchteunempfindlichkeit und Druckstabilität gegeben sein. Mit anderen Materialien erreichen Sie das nicht. Umkehrdächer machen Sinn (auch wenn ihr merkwürdiger Name keinen Sinn macht 😉 aber sie verlängern die Lebensdauer des Daches um das doppelte und haben erheblich geringeren Reparatur-und Sicherungsaufwand bzw-kosten als das ‚konventionelle‘ Dach. Deswegen kommt dieses Konstrukt immer häufiger zum Einsatz.

  3. Naturdämmstoffe sind beim richtigen Einbau viel länger haltbar wie konventionelle, es wurden über 400 Jahre alte Häuser mit zB. Seegras Dämmung gefunden, wo das Seegras noch gut erhalten war!
    Auch unter Grasdächern kann man natürlich mit Naturdämmstoffen dämmen, entweder mit Hinterlüftung oder oder intelligenter Folie als Dampfsperre innen.
    Selbst im Sockelbereich kann man auf EPS verzichten wenn man Glasschotter oder auch Feldsteine und Blähton/Lehm verwendet!

    • Absolut richtig. Wir sind auch sehr für Naturdämmstoffe in der Fassade. Über Glasschotte im Sockelbereich weiß ich leider sehr wenig. Können Sie dazu was sagen? Ist ja auch für andere Leser interessant. Und was würden Sie in der Bodenplatte vorschlagen?

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